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Psychotherapeut*innen: Erstzugangsrecht zu Psychotherapie ist nicht verhandelbar!

Psychotherapeutische Berufsverbände richten einen klaren Appell an das Bundesgesundheitsministerium: „Das Erstzugangsrecht zur Psychotherapie ist für uns Psychotherapeut*innen und für unsere Patient*innen nicht verhandelbar!“  Das direkte Erstzugangsrecht zur Psychotherapie muss auch in einem künftig geplanten Primärarztsystem uneingeschränkt erhalten bleiben. Menschen mit psychischen Erkrankungen benötigen weiterhin einen niedrigschwelligen und zeitnahen Zugang zur psychotherapeutischen Sprechstunde – ohne zusätzliche Hürden oder Umwege. Die Forderung wird von Verbänden getragen, die gemeinsam über 50.000 psychotherapeutisch tätige Fachpersonen vertreten, darunter ärztliche und psychologische Psychotherapeut/innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen sowie Psychotherapeut*innen in Ausbildung und Weiterbildung.

Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) sowie die Vereinigung für analytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (VAKJP) unterstreichen gemeinsam: Die bestehende Steuerung über die Psychotherapeutische Sprechstunde hat sich in der Versorgung bewährt und funktioniert bereits.

Die Verbände verweisen dabei auch auf die jüngste Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), auf der sie sich klar positioniert haben. Im aktuellen Positionspapier der KBV wird diese Haltung gestützt – es fordert ausdrücklich eine Ausnahmeregelung für Psychotherapeut*innen im Rahmen des geplanten Primärarztsystems.

Jetzt komme es darauf an, diese Position in den anstehenden politischen Verhandlungen zu sichern. Ziel ist es, die Abgeordneten der neuen Legislaturperiode im Bundestag davon zu überzeugen, das Erstzugangsrecht zur Psychotherapie dauerhaft abzusichern.

Neue bürokratische Hürden für Patient*innen

Tausende Patient*innen nehmen täglich den Mut auf, sich mit ihren psychischen Belastungen an eine psychotherapeutische Praxis zu wenden. Dieser Schritt erfordert oftmals die Überwindung großer innerer Hürden – und setzt Vertrauen in eine direkte, unbürokratische Hilfe voraus.

Vor diesem Hintergrund warnen psychotherapeutische Verbände eindringlich vor einer geplanten primärärztlichen Steuerung im Gesundheitswesen: Sie würde für psychisch erkrankte Menschen eine zusätzliche Hürde schaffen. Statt sich direkt an einen Psychotherapeutin wenden zu können, müssten Patient*innen zunächst eine Überweisung einholen – und dabei ihre persönlichen Probleme bereits im hausärztlichen Kontext offenlegen.

Dieser Schritt birgt nicht nur die Gefahr von Verzögerungen in der Behandlung, sondern konterkariert auch das zentrale Prinzip des niedrigschwelligen Zugangs zur Psychotherapie. Dieser Zugang ist aktuell gesetzlich verankert und hat sich in der Praxis bewährt. Jede Einschränkung wäre ein klarer Rückschritt – und eine reale Verschlechterung der Versorgung psychisch erkrankter Menschen.

Die psychotherapeutischen Verbände fordern daher: Der direkte Zugang zur Psychotherapie muss unangetastet bleiben.

Steuerung durch Hausarztpraxen fraglich

Psychotherapeutinnen übernehmen häufig die erste und wichtigste Ansprechperson bei psychischen Beschwerden. Es ist jedoch unsicher, ob die rund zwei Millionen Neupatientinnen jährlich in Hausarztpraxen zeitnah eine Überweisung erhalten können. Aktuell sind bereits mehr als 5.000 Vertragsarztsitze für Hausärzt*innen unbesetzt, vor allem in ländlichen Regionen.

Parallelbehandlung in Psychotherapie nicht möglich

Die hausärztliche Steuerung soll laut Koalitionsvertrag helfen, Doppeluntersuchungen und parallele Facharztbehandlungen zu vermeiden und so vorhandene Versorgungsressourcen effizient zu nutzen. In der Psychotherapie ist eine solche Parallelbehandlung jedoch ausgeschlossen: Jede Therapie ist genehmigungspflichtig, sodass Patient*innen stets nur eine laufende Behandlung beanspruchen können. Bei Langzeittherapien erfolgt zusätzlich eine externe Begutachtung, die die Notwendigkeit einer Fortsetzung prüft. Damit stellen das Antrags- und Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen sowie das Gutachterverfahren bereits sicher, dass Therapien wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt werden.

Patient*innen werden schon durch Sprechstunde gesteuert

Die Steuerung erfüllt zudem eine inhaltliche Aufgabe: Sie soll sicherstellen, dass die „richtigen“ Störungen und Patientinnen behandelt werden. Seit 2017 klären Psychotherapeutinnen in der Psychotherapeutischen Sprechstunde, ob eine Therapie erforderlich ist und wie das weitere Vorgehen aussehen sollte. Dieses Angebot ermöglicht einen niedrigschwelligen und kurzfristigen Zugang zur Psychotherapie. Eine Evaluation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zeigte, dass 40 Prozent der Patientinnen nach der Sprechstunde innerhalb eines Jahres keine weiteren psychotherapeutischen Leistungen in Anspruch nehmen. Die übrigen Patientinnen erhalten teils zeitnah einen Therapieplatz in derselben Praxis, müssen jedoch teilweise auch warten. Damit funktioniert die Steuerung in den psychotherapeutischen Praxen effektiv.

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