Mit dem Projekt NAVIGATION unterstützt der Gemeinsame Bundesausschuss den Aufbau von Primärversorgungszentren in Deutschland. Ziel ist es, neue Versorgungsmodelle zu erproben, die eine gerechtere ambulante Gesundheitsversorgung ermöglichen. Pilotstandorte sind die Poliklinik in Hamburg-Veddel sowie eine Einrichtung in Berlin-Neukölln. Projektpartner sind die AOK Rheinland/Hamburg und die AOK Nordost.

„In den letzten Jahren ist die Zahl der Menschen, die nur schwer einen Zugang zur Gesundheitsversorgung finden, größer geworden. Das gilt besonders für die sozioökonomisch schlechter gestellten Stadtteile. Die Politik hat erkannt, dass eine bessere Steuerung dringend erforderlich ist. Das Projekt NAVIGATION setzt diese Erkenntnis bereits heute in konkretes Handeln um und ist damit richtungsweisend“, sagt Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. „Wir wollen an den Standorten Hamburg-Veddel und Berlin-Neukölln zeigen, dass Primärversorgungszentren, in denen Versorgungsangebote gebündelt werden, eine Brücke hin zu mehr gesellschaftlicher Gerechtigkeit im Gesundheitswesen bauen können: ohne Barrieren und mit einem Schwerpunkt auf individueller Beratung der Patientinnen und Patienten.“ Dabei werde die hausärztliche Versorgung durch pflegerische, soziale und psychologische Leistungen ergänzt und trage damit den unterschiedlichen Bedürfnissen einer diversen Gesellschaft stärker Rechnung, so Mohrmann weiter.

Speziell ausgebildete Pflegefachkräfte steuern das Team an der Poliklinik Veddel in Hamburg

Im Zeitraum von April 2025 bis März 2027 werden 580 Patientinnen und Patienten an der Poliklinik Veddel in Hamburg sowie am Standort in Berlin-Neukölln einen neuartigen Versorgungspfad durchlaufen. Dabei wird ein sektorenübergreifendes Team aus Hausärztinnen und Hausärzten, Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialarbeitenden die Versorgung übernehmen. Ein besonderes Merkmal des Projekts ist der Einsatz von speziell ausgebildeten Pflegefachkräften, den sogenannten Community Health Nurses, die die klinische Leitung und eine zentrale Steuerungsfunktion im Projekt übernehmen.

Das Team entwickelt gemeinsam eine individuell abgestimmte Versorgung, die auch soziale Faktoren in die Behandlung einbezieht. Die Community Health Nurse begleitet die Patientinnen und Patienten über den gesamten Versorgungsprozess hinweg. Sie fungiert als feste Ansprechperson und unterstützt regelmäßig in Gesprächen, telefonischen Check-ups sowie Hausbesuchen. Dabei hilft sie auch bei bürokratischen Hürden oder Sprachbarrieren, um eine umfassende Betreuung sicherzustellen. „Wir erreichen damit eine viel breitere Patientengruppe und auch diejenigen, deren Versorgung bislang nicht ausreichend sichergestellt ist“, erklärt Matthias Mohrmann.

Das Best-Practice-Modell wurde im Rahmen des Innovationsfondsprojekts „Nachhaltig versorgt im gemeindenahen Gesundheitszentrum – Gesundheit im Zentrum“ (NAVIGATION) entwickelt. Es baut auf den bisherigen Praxiserfahrungen der beiden Primärversorgungszentren Poliklinik Veddel in Hamburg und GeKo (Stadtteil-Gesundheits-Zentrum Neukölln) in Berlin auf, die zu den ersten ihrer Art in Deutschland gehören. Beide Einrichtungen leiten das Projekt NAVIGATION gemeinsam und bieten den innovativen Versorgungspfad in den kommenden zwei Jahren in ihren jeweiligen Häusern an.

Über das Projekt 

NAVIGATION ist ein Innovationsfondsprojekt des Gemeinsamen Bundesausschusses, das darauf abzielt, Primärversorgungszentren als neue wohnortnahe Versorgungsform in Deutschland zu etablieren. Das Projekt wird von einem siebenköpfigen Konsortium getragen, zu dem die AOK Rheinland/Hamburg, die AOK Nordost, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Frankfurt University of Applied Sciences und die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. gehören. Die Projektleitung liegt bei der Poliklinik Veddel in Hamburg und dem GeKo - Stadtteil-Gesundheits-Zentrum Neukölln in Berlin. Das Projekt läuft von August 2024 bis Oktober 2027. navigation-im-pvz.de


Zur Pressemitteilung: https://www.aok.de/pp/rh/pm/zugang-zur-gesundheitsversorgung-gerechter-gestalten/

Foto: Innovationsfondsprojekt NAVIGATION etabliert Primärversorgungszentren (c) AOK Bundesverband

Der Beginn des groß angelegten Transferprojekts InnovationsCommunity Urban Health(ICUH) markiert einen entscheidenden Schritt zur Umsetzung nachhaltiger und gerechter Stadtentwicklung.

Gesunde und gerechte Lebensverhältnisse in Städten schaffen – dieses Ziel verfolgt die InnovationsCommunity Urban Health (ICUH), eine von 20 Innovationscommunities, die im Rahmen der DATIpilot-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Das Projekt wird mit Prof. Dr. habil. Heike Köckler als Sprecherin von der Hochschule Bochum (Fachbereich Gesundheitswissenschaften) geleitet und in Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund (Stadt- und Regionalplanung), der Universität Bremen (Institut für Public Health und Pflegeforschung), dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und den Praxispartnern Landeszentrum Gesundheit NRW sowie der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V. umgesetzt. Mit Unterstützung des BMBF und des Projektträgers Jülich setzt ICUH auf ein starkes Netzwerk aus Wissenschaft, Praxis und diversen Communities.

Zentrales Anliegen von ICUH ist die Überwindung von sogenannten „Implementationslücken“, also die Frage, warum Erkenntnisse aus der Wissenschaft und akzeptierte Leitbilder wie das der Nachhaltigkeit oder der gesundheitsfördernden Stadtentwicklung in der Praxis oft nicht umgesetzt werden können. In Realexperimenten und umsetzungsorientierten Projekten sollen Wissenschaft und Praxis gemeinsam innovative Ansätze zur Überwindung von Umsetzungshemmnissen erproben, die gleichzeitig einen Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation leisten. ICUH hat eine Förderzusage von fünf Mio. Euro erhalten. Der Großteil der Fördermittel ist noch zu verausgaben, so dass Interessierte die Chance haben, eigene Projektideen mit wissenschaftlicher Begleitung zu verwirklichen und beim Erreichen der Ziele mitzuwirken. Interessierte sind herzlich eingeladen, dazu beizutragen und verschiedene Wege der Mitwirkung zu nutzen.

„ICUH zeigt, wie Hochschulen als Treiber von Innovation interdisziplinär und auf Augenhöhe mit Praxis und Communities zusammenarbeiten können, um eine zukunftsfähige Stadtentwicklung voranzubringen – damit Wissen gemeinsam genutzt wird und Städte sich gesund und lebendig weiterentwickeln“, so Prof. Dr. Mi-Yong Becker, Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit, Transfer und Entrepreneurship an der Hochschule Bochum.

Am 1. Januar 2025 hat das ICUH-Managementteam die Arbeit aufgenommen, in dem die strategische Umsetzung der Initiative koordiniert wird. Nach dem offiziellen Start im Januar nimmt das Projekt nun weiter Fahrt auf: Neue Communityprojekte sind gestartet, ein interdisziplinärer Beirat wird besetzt, und ein erster offener Call for Ideas eröffnet Akteur*innen in Bremen/ Bremerhaven und dem Ruhrgebiet die Möglichkeit zur Förderung innovativer Ansätze, um Städte zu gesünderen Lebensorten zu machen. 
Anfang Februar ist mit den „ExperimentierRäumen“ das erste Communityprojekt gestartet. Hier werden innovative Ansätze in den Themenfeldern ‚aktive Mobilität‘ und ‚Anpassung an Klimawandelfolgen‘ in Zusammenarbeit mit verschiedenen Sozialraumakteur*innen und diversen Communities experimentell erprobt. 

Anfang März 2025 ist außerdem ein zweites Communityprojekt im Rahmen des Urban Health digiSpace – einer virtuellen Austauschumgebung für Stadtgesundheit – gestartet. „Wir bauen den Urban Health digiSpace seit 2022 kontinuierlich auf und aus. Er hat sich als Plattform für transdisziplinäre Wissensgenerierung im Bereich Urban Health bereits bewährt und wird in ICUH eine zentrale Rolle – auch für ein agiles und niedrigschwelliges Innovationsmanagement – spielen“, erklärt Prof. Dr. Heike Köckler, Sprecherin des Projektes. 

Mögliche Mitgestaltung der Zukunft gesunder und gerechter Städte

Im Rahmen von ICUH wird es mehrere „Call for ideas“ geben, bei denen Projektmittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro verausgabt werden können. Der erste Call for Ideas im 2. Quartal 2025 ermöglicht engagierten und motivierten Akteur*innen, Projektideen zur Umsetzung konkreter Projekte zu StadtGesundheit einzubringen. In ICUH wird die Förderwürdigkeit der Projekte bewertet, die Fördermittel werden durch das BMBF vom Projektträger Jülich vergeben. Gefördert werden kreative und innovative Ansätze, die in die Gesamtstrategie von ICUH passen und konkretes Wissen zu umweltbezogener Gerechtigkeit und der sozial-ökologischen Transformation in die Umsetzung bringen. Informationen zum Call und zu Bewerbungs- und Auswahlkriterien finden sich demnächst auf dem Urban Health digiSpace (https://urbanhealth-digispace.de/). 

Um die InnovationsCommunity Urban Health zu begleiten, wird außerdem aktuell ein Beirat als unabhängiges Beratungsgremium eingerichtet, der den Auswahlprozess förderwürdiger Projekte steuert. Zu den Aufgaben des Beirats gehört die Bewertung und Begutachtung von Projektvorschlägen anhand fester Kriterien wie Innovationsgrad, Umsetzbarkeit und soziale Wirkung. Zudem berät er strategisch und empfiehlt vielversprechende Projekte, vernetzt Akteur*innen aus Wissenschaft, Praxis und diversen Communities und unterstützt die Weiterentwicklung von Urban-Health-Initiativen in den Regionen Ruhrgebiet und Bremen/ Bremerhaven und darüber hinaus.

Der Beirat soll interdisziplinär und divers besetzt sein. Gesucht werden Expert*innen aus Wissenschaft, Praxis, Verwaltung, Wirtschaft und diversen Communities. Weitere Informationen zur Ausschreibung und Bewerbung: https://urbanhealth-digispace.de/wp-content/uploads/2025/03/Beiratsausschreibung.... Wer Interesse hat, kann eine Bewerbung bis zum 07. April 2025 über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. auf den Weg bringen.


Zur Pressemitteilung: https://www.hochschule-bochum.de/die-bo/wichtige-einrichtungen/hochschulkommunikation/pressemitteilungen/pm/n/innovationscommunity-urban-health-projekte-fuer-zukunft-gesunder-staedte-gestartet/

Foto: Gruppenfoto der Projektbeteiligten bei der Auftaktveranstaltung am 24. Januar 2025. (c) HSBO

In diesem Jahr feiert die KORA-Studie (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) ihr 40-jähriges Bestehen. Sie zählt zu den bedeutendsten bevölkerungsbasierten Forschungsinitiativen in Deutschland. Seit ihrer Gründung hat die KORA-Studie rund 18.000 Teilnehmende aus der Region Augsburg (Süddeutschland) begleitet und entscheidende Erkenntnisse zu Prävention, Früherkennung und dem Umgang mit nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Lungenerkrankungen und psychischen Störungen gewonnen.

Die Studie wurde 1984 im Rahmen des MONICA-Projekts (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen und ist seither zu einem zentralen Baustein der nationalen und internationalen epidemiologischen Forschung geworden. „KORA ist eine Vorzeigestudie bei Helmholtz Munich, die gesundheitspolitische Maßnahmen maßgeblich beeinflusst und unser Wissen über Prävention und Behandlung von Krankheiten nachhaltig erweitert hat“, betont Prof. Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie bei Helmholtz Munich und Hauptverantwortliche der KORA-Studie. „Ihr Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit ist von unschätzbarem Wert.“

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihre Risikofaktoren im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weiterhin die häufigste Todesursache weltweit, doch ihre komplexen Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht. Die KORA-Studie hat wesentliche Fortschritte beim Verständnis von Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention ermöglicht. Durch den Einsatz modernster Technologien wie OMICs – umfassende Analysen biologischer Daten, darunter Gene (Genomik), Proteine (Proteomik) und Metaboliten (Metabolomik) – sowie künstlicher Intelligenz adressieren die Forschenden auch Gesundheitsrisiken wie Luftverschmutzung und seit einigen Jahren darüber hinaus den Klimawandel und Hitzewellen.

Gesundheitsrichtlinien zur Luftverschmutzung maßgeblich geprägt

1997 wiesen KORA-Forschende erstmals nach, dass eine Episode der Luftverschmutzung in Augsburg mit einer erhöhten Plasma-Viskosität in Verbindung stand, was eine systemische Entzündungsreaktion in der Allgemeinbevölkerung belegte. Weitere Studien aus dem Jahr 1999 zeigten, dass erhöhte Werte des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP) koronare Herzkrankheit und kardiovaskuläre Mortalität vorhersagen können. Diese bahnbrechenden Ergebnisse vertieften nicht nur das Verständnis der Gesundheitsrisiken durch Luftverschmutzung, sondern beeinflussten auch die strengeren Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2021 sowie die EU-Luftqualitätsrichtlinie, die im Herbst 2024 verabschiedet wurde.

Auswirkungen extremer Temperaturen auf chronische Erkrankungen

Ein eindrucksvolles Beispiel aktueller Forschung ist die Studie unter der Leitung von Dr. Alexandra Schneider, stellvertretende Direktorin des Instituts für Epidemiologie bei Helmholtz Munich. Diese untersucht die Auswirkungen extremer Temperaturen auf Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Über einen Zeitraum von 15 Monaten werden Teilnehmende im Alter von 50 bis 80 Jahren monatlich untersucht, um zu analysieren, wie Hitze und Kälte ihre Gesundheit beeinflussen. Ergänzt durch landesweite Auswertungen anonymisierter Krankenversicherungsdaten soll die Studie aufzeigen, wie Temperaturspitzen die Krankheitslast beeinflussen. „Unser Ziel ist es, Schutzstrategien für spezifische Alters-, Geschlechts- und Krankheitsgruppen zu entwickeln und gleichzeitig Versorgungslücken zu schließen, die durch den Klimawandel entstehen“, erklärt Schneider.

Von Diabetes bis Adipositas: Erkenntnisse für bessere Prävention

Im Jahr 2003 stellten KORA-Forschende fest, dass fast die Hälfte der Teilnehmenden im Alter von 55 bis 74 Jahren mit Typ-2-Diabetes unbemerkt erkrankt war und 20 % sich in einem Prädiabetes-Stadium befanden. Diese zentrale Erkenntnis beeinflusst bis heute Strategien zur Diabetesprävention und unterstreicht die langfristigen Beiträge der KORA-Studie zur Bekämpfung dieser Krankheit. Seit 2005 hat KORA zudem die genetische Forschung vorangetrieben und wertvolle Daten für OMICs-Studien geliefert. Epigenomweite Assoziationsstudien (EWAS) haben unter anderem gezeigt, dass epigenetische Veränderungen bei Menschen mit Adipositas nicht nur Krankheitsrisiken erhöhen, sondern auch an zukünftige Generationen weitergegeben werden können.

Wegbereiter für personalisierte Gesundheitslösungen

Als prospektive Kohortenstudie hat KORA nicht nur die Krankheitsprävention vorangebracht, sondern auch nationale und internationale Kooperationen gefördert, um Gesundheitsrisiken in verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser zu verstehen. Im Jahr 2025 wird KORA eine digital unterstützte Lebensstil-Interventionsstudie starten, um die Wirksamkeit personalisierter digitaler Gesundheitsprogramme zu erforschen, die Menschen helfen sollen, ihre Gesundheitsziele zu erreichen. „Die KORA-Studie bleibt eine dynamische Ressource für die Weiterentwicklung der Gesundheitsforschung und -politik. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der öffentlichen Gesundheit, damit zukünftige Generationen von ihren Erkenntnissen profitieren können“, so Annette Peters.


Zur Pressemitteilung: https://www.helmholtz-munich.de/newsroom/news/artikel/kora-studie-40-jahre-wegweisende-beitraege-zur-oeffentlichen-gesundheitsforschung

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