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Mindestmengen bei seltenen Erkrankungen: Erkenntnisse durch Evidenz-Übertragung
In Deutschland gelten für bestimmte komplexe, risikoreiche und planbare Krankenhausbehandlungen Mindestmengen, um die Behandlungsqualität zu sichern. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt, für welche Eingriffe diese Vorgaben gelten. Dabei stützt er sich auf Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das Studien analysiert, welche den Zusammenhang zwischen der Anzahl der durchgeführten Eingriffe pro Krankenhaus und/oder Ärztin bzw. Arzt und der Behandlungsqualität untersuchen.
In Deutschland existiert bislang keine Mindestmengenregelung für risikobehaftete Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit spezifischen seltenen Erkrankungen. Eine solche Regelung setzt verlässliche wissenschaftliche Studien voraus, die einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Fallzahl und Behandlungsqualität belegen. Bei seltenen Erkrankungen fehlt es jedoch häufig an entsprechenden Daten, da die Fallzahlen in den einzelnen Kliniken zu gering sind. Dennoch sollte auch für Patientinnen und Patienten, die einen komplexen und seltenen Eingriff benötigen, eine qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt werden.
Vor diesem Hintergrund hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ein methodisches Vorgehen entwickelt, um den Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungsqualität auch bei seltenen Erkrankungen mit geringen Fallzahlen bewerten zu können. „Wir schlagen vor, in diesen Fällen Evidenz aus hinreichend ähnlichen Anwendungsfeldern auf die zu untersuchende Indikation zu übertragen, wenn solche Evidenz vorhanden ist“, erklärt Claudia-Martina Messow aus dem IQWiG-Ressort Medizinische Biometrie. Dazu wird geprüft, ob Ergebnisse aus Studien mit ähnlichen Patientengruppen oder vergleichbaren Eingriffen auf die Zielindikation übertragbar sind. Ergänzend sollen externe Fachleute eingebunden werden, um den erforderlichen klinischen und verfahrensspezifischen Sachverstand sicherzustellen.
Methodisches Neuland
Im Zuge seiner internationalen Literaturrecherche hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) keine methodischen Grundlagen oder Dokumente gefunden, die sich mit der Herleitung von Mindestmengenvorgaben bei seltenen Erkrankungen oder mit Zertifizierungskriterien für Krankenhäuser im Kontext solcher Erkrankungen befassen. Auch eine übergeordnete methodische Literatur zu Mindestmengenregelungen bei seltenen Erkrankungen konnte nicht identifiziert werden.
Das IQWiG hat ein eigenes methodisches Vorgehen entwickelt, um Mindestmengen auch bei seltenen Eingriffen bewerten zu können, für die keine oder keine belastbaren Studien zur Verbindung von Fallzahl und Behandlungsqualität vorliegen. In solchen Fällen soll Evidenz aus vergleichbaren Patientengruppen oder ähnlichen Interventionen auf die seltene Leistung übertragen werden. Grundlage dafür sind klinische und verfahrensbezogene Abwägungen, die sich an der jeweiligen Fragestellung orientieren.
Hierzu hat das Institut einen Kriterienkatalog erarbeitet, der systematisch Unterschiede zwischen Populationen und Interventionen analysiert und die Übertragbarkeit einschätzt. Diese Prüfung soll in der Regel mit Unterstützung externer Sachverständiger erfolgen.
„Wenn eine Population bzw. Intervention für eine mögliche Evidenz-Übertragung identifiziert wurde, können bei fehlender direkter Evidenz zum Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsqualität möglicherweise durch die Übertragung von Evidenz Aussagen abgeleitet werden, die die Beratungen des G-BA zu Mindestmengenregelungen bei seltenen Eingriffen unterstützen“, so Claudia-Martina Messow.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Der G-BA beauftragte das IQWiG am 09.10.2024 mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung zur Bewertung eines Zusammenhanges zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses bei seltenen Erkrankungen mit entsprechend geringen Fallzahlen ohne hinreichend aussagekräftige Studienlage. Laut Beauftragung sollte der Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannter Rapid Report erstellt werden, der am 30.04.2025 an den Auftraggeber versandt wurde.
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