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Maarten J. Rutgers

Umdenken im Gesundheitswesen

Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2025, 308 Seiten, 98,80 €, ISBN 9783339142368 

In seinem Buch „Umdenken im Gesundheitswesen“ setzt sich Maarten J. Rutgers kritisch mit den aktuellen Strukturen und Herausforderungen des Gesundheitssystems auseinander. Er beleuchtet die Dominanz neoliberalen Marktdenkens und plädiert für eine stärkere Zusammenarbeit aller Akteure, um ein nachhaltigeres und humaneres Gesundheitssystem zu schaffen.

Dr. Maarten J. Rutgers, (*1947 Groningen) studierte Medizin in Groningen und absolvierte eine Ausbildung als Facharzt für Neurologie/klinische Neurophysiologie in Den Haag und Rotterdam. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Gesundheitswesen, sowohl als Arzt als auch in leitenden Positionen innerhalb von Krankenhäusern. Er hat bedeutende Veränderungsprozesse und Fusionen von Gesundheitseinrichtungen begleitet und dabei tiefe Einblicke in die Funktionsweise des Systems gewonnen. Neben „Umdenken im Gesundheitswesen“ hat er weitere Publikationen verfasst, darunter „Ambulantisierung: Eine Lösung für Kostenwachstum, Qualität und Fachkräftemangel?“ und „Gezondheidszorg als handelswaar: worden we daar beter van?“, in denen er sich mit der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und möglichen Reformansätzen auseinandersetzt (https://www.verlagdrkovac.de/978-3-339-14236-8.htm 17.02.2025). 

„Umdenken im Gesundheitswesen“ entstand vor dem Hintergrund steigender Gesundheitskosten, eines zunehmenden Fachkräftemangels und der fortschreitenden Kommerzialisierung medizinischer Dienstleistungen. Rutgers beobachtet eine wachsende Kluft zwischen ökonomischen Interessen und der eigentlichen Aufgabe des Gesundheitswesens: der Versorgung von Patienten. Dieses Spannungsfeld motivierte ihn, alternative Denkansätze und Lösungen zu erörtern.

Das Buch ist logisch strukturiert und führt Lesende schrittweise durch die verschiedenen Aspekte des Themas. Zu Beginn analysiert Rutgers den aktuellen Zustand des Gesundheitssystems und die historische Entwicklung hin zu einer marktorientierten Gesellschaft. Im weiteren Verlauf untersucht er die Auswirkungen dieses Marktdenkens auf die Qualität der Gesundheitsversorgung und die Rolle der verschiedenen Akteure, einschließlich Ärzten, Pflegefachkräften, Organisationen und Patienten. Abschließend präsentiert er innovative Ansätze und internationale Beispiele, die zeigen, wie durch Kooperation und patientenzentrierte Modelle nachhaltige Verbesserungen erzielt werden können.

Maarten J. Rutgers schreibt in einem sachlichen, aber dennoch gut lesbaren Stil. Er vermeidet unnötig komplizierte Fachbegriffe und schafft es, auch komplexe Zusammenhänge klar und verständlich zu erklären. Besonders fällt auf, dass er theoretische Analysen immer wieder mit praktischen Beispielen und internationalen Vergleichen verknüpft, sodass die Argumentation greifbarer wird. Sein Ton ist kritisch, aber konstruktiv – er prangert Missstände im Gesundheitswesen an, ohne in Polemik zu verfallen. Stattdessen bleibt er analytisch und lösungsorientiert. Gerade für Lesende ohne tiefere Vorkenntnisse wären anschaulichere Fallbeispiele hilfreich, um die Thematik noch greifbarer zu machen. Dennoch bleibt der Text insgesamt gut zugänglich und auch für ein breiteres Publikum geeignet.

Ein häufig diskutierter Punkt in Rutgers' Buch ist der Vergleich zwischen Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Dänemark. Während Dänemark mit seinem steuerfinanzierten, stark zentralisierten Modell eine sehr effiziente Versorgung erreicht, ist dies in Deutschland mit seinem föderalen und dualen Versicherungsmodell schwer umsetzbar. Die Niederlande und die Schweiz zeigen, dass ein wettbewerbsorientiertes System zwar Effizienz steigern kann, aber oft soziale Ungleichheiten verstärkt. Rutgers betont daher, dass Reformen stets an die spezifischen Rahmenbedingungen eines Landes angepasst werden müssen. Allerdings bleibt er realistisch und erkennt an, dass eine direkte Übertragung nicht ohne weiteres möglich ist. Rutgers ist sich der strukturellen Unterschiede zwischen den Ländern bewusst und argumentiert differenziert. Er betont, dass Reformen stets an das jeweilige System angepasst werden müssen. Das Buch nutzt die Niederlande als Vergleichsmodell, bleibt dabei aber ausgewogen und reflektiert. Es dient weniger als direkte Handlungsanweisung für Deutschland, sondern eher als Anstoß für eine kritischere Betrachtung des deutschen Gesundheitswesens und möglicher Reformoptionen.

Diskussion

Rutgers' Werk zeichnet sich durch mehrere, innovative Ansätze aus. Er hinterfragt die weit verbreitete Annahme, dass Marktmechanismen automatisch zu besseren Ergebnissen im Gesundheitswesen führen. Stattdessen argumentiert er, dass übermäßiger Wettbewerb oft hinderlich ist und Kooperation der Schlüssel zu effektiveren Lösungen sein kann. Durch den Vergleich mit internationalen Gesundheitssystemen bietet er wertvolle Denkanstöße und zeigt auf, dass alternative Modelle nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich sind.

Das Buch richtet sich an ein breites Publikum: Gesundheitsexperten, politische Entscheidungsträger und interessierte Laien. Es bietet fundierte Analysen und praxisnahe Beispiele, die sowohl für Fachleute als auch für Laien verständlich sind. Rutgers gelingt es, komplexe Zusammenhänge klar darzustellen und dabei stets den Bezug zur Praxis zu wahren.

Ein bemerkenswerter Aspekt des Buches ist die Betonung der Patientenzentrierung. Rutgers argumentiert, dass Patienten nicht nur als Konsumenten betrachtet werden sollten, sondern als aktive Partner im Gesundheitsprozess. Diese Perspektive fordert ein Umdenken in der Beziehung zwischen medizinischem Personal und Patienten und betont die Bedeutung von Empathie und Kommunikation.

Die Aktualität des Themas ist unbestritten. Angesichts der aktuellen Diskussionen über die Finanzierung des Gesundheitswesens, den Fachkräftemangel und die Auswirkungen der Kommerzialisierung liefert Rutgers' Buch wertvolle Impulse für notwendige Reformen. Es regt dazu an, etablierte Denkmuster zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten.

Im Vergleich zu anderen Publikationen zeichnet sich "Umdenken im Gesundheitswesen" durch seine ganzheitliche Betrachtung aus. Während viele Werke sich auf einzelne Aspekte wie Finanzierung oder technologische Innovationen konzentrieren, verbindet Rutgers ökonomische, soziale und ethische Perspektiven zu einem umfassenden Bild. Dies ermöglicht es dem Leser, die vielfältigen Wechselwirkungen innerhalb des Systems zu erkennen und zu verstehen.

Ein kritischer Punkt betrifft die Tiefe der Analyse in bestimmten Bereichen. Beispielsweise wird die Rolle der Pflegekräfte diskutiert, jedoch bleiben konkrete Handlungsempfehlungen vage. Hier hätte eine detailliertere Ausarbeitung den praktischen Nutzen erhöhen können. Zudem wären Fallstudien oder Erfahrungsberichte aus der Praxis eine wertvolle Ergänzung gewesen, um die theoretischen Konzepte greifbarer zu machen.

Fazit

„Umdenken im Gesundheitswesen“ ist ein lesenswertes Buch für alle, die sich für die Zukunft des Gesundheitssystems interessieren. Rutgers bietet eine fundierte Analyse aktueller Probleme und zeigt gleichzeitig konstruktive Lösungswege auf. Seine Argumentation ist klar und nachvollziehbar, und er schafft es, komplexe Themen verständlich darzustellen. Insbesondere für Fachleute im Gesundheitswesen, politische Entscheidungsträger und Studierende der Gesundheitswissenschaften bietet das Buch wertvolle Einblicke und Anregungen. Aber auch interessierte Laien werden von den praxisnahen Beispielen und der klaren Sprache profitieren. Insgesamt leistet Rutgers einen wichtigen Beitrag zur Debatte über die Neuausrichtung des Gesundheitswesens und zeigt auf, dass ein Umdenken nicht nur möglich, sondern dringend erforderlich ist.

Eine Rezension von Romy Flotow,
MSc Health Professions Education

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