Erhalt und Förderung der Mobilität sind von essenzieller Bedeutung für die Lebensqualität von Menschen mit Pflegebedarf und, um Komplikationen, wie z. B. Druckgeschwüren (Dekubitus), zu vermeiden. Unterstützung zur Mobilität leisten vor allem mehr als eine Million beruflich Pflegende – mit täglich hoher körperlicher Anstrengung, oftmals asymmetrischer Körperbelastung und entsprechenden Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Rückenschmerzen. 

Die Kinästhetik als „Lehre von der Bewegungsempfindung“ zielt sowohl auf die Gesundheit und die Lebensqualität von Pflegebedürftigen ab als auch auf die von beruflich Pflegenden: Durch interaktive und individuelle Bewegungsförderung soll die Bewegungskompetenz der Betroffenen gestärkt werden. Pflegebedürftige sollen dadurch Selbstwirksamkeit erfahren, um wieder aktiver und selbständiger zu werden. Die Bewegungsförderung von Pflegebedürftigen soll nach dem Konzept der Kinästhetik durch die Pflegenden so gestaltet werden können, dass die eigene körperliche Überbelastung und deren Folgen verhindert oder zumindest minimiert werden.
Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht derzeit ein interdisziplinäres Team unter der Federführung des Instituts und der Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, welchen Nutzen die pflegerische Bewegungsförderung nach Kinästhetik im Vergleich zur üblichen pflegerischen Bewegungsförderung bietet. Untersucht werden dabei sowohl die Auswirkungen auf Personen mit Mobilitätseinschränkungen und Pflegebedarf als auch auf beruflich Pflegende, die Kinästhetik in ihrer Arbeit anwenden. 

Die nun vorliegenden vorläufigen Bewertungsergebnisse veröffentlicht das IQWiG mit dem Ziel, wichtige Argumente oder Hinweise aus der Fachöffentlichkeit und von anderen Interessierten miteinzubeziehen.

Das IQWiG bittet um Stellungnahmen

Zu dem vorläufigen Bericht bittet das IQWiG bis zum 09.06.2025 um Stellungnahmen. Es handelt sich dabei um eine Gesundheitstechnologie-Bewertung (engl. Health Technology Assessment = HTA) im Rahmen des IQWiG-Verfahrens ThemenCheck Medizin. Die Fragestellungen der ThemenCheck-Berichte gehen stets auf Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern zurück.

Interessierte Personen, Institutionen und (Fach-)Gesellschaften können Stellungnahmen abgeben. Gegebenenfalls führt das IQWiG eine wissenschaftliche Erörterung zur Klärung von weitergehenden Fragen aus den schriftlichen Stellungnahmen durch. Die Ergebnisse aus der Anhörung können zu Änderungen und/oder Ergänzungen des vorläufigen Berichts führen.

Originalpublikation: https://www.iqwig.de/sich-einbringen/themencheck-medizin/berichte/t23-05.html


Zur Pressemitteilung: https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_146115.html

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Das Fraunhofer ISI hat im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein Gutachten zur Optimierung des Ressourceneinsatzes im Hygienebereich in deutschen Arztpraxen erstellt. Dabei wurden bestehende Hygieneanforderungen der Bundesländer untersucht und ambulant tätige Ärzt:innen sowie medizinisches Fachpersonal befragt. Das Ergebnis des Gutachtens zeigt, dass viele Hygienevorgaben auf Krankenhäuser ausgerichtet sind und daher für den ambulanten Bereich oft nicht optimal geeignet sind. Diese Unterscheidung führt häufig zu einem höheren Ressourceneinsatz in Arztpraxen.

Das Gutachten betont, wie wichtig es ist, die Hygieneanforderungen an den ambulanten Bereich anzupassen, um Ressourcen effizienter zu nutzen und gleichzeitig die Patientensicherheit sowie den Arbeitsschutz zu gewährleisten. Im Rahmen der Empfehlungen wird vorgeschlagen, wie bestehende Hygienevorgaben nachhaltiger gestaltet werden können, ohne Kompromisse bei den Standards für die Sicherheit von Patient:innen und dem Schutz des medizinischen Personals einzugehen.

Der Gesundheitssektor trägt weltweit etwa 5 Prozent zum Ressourcenverbrauch und den Treibhausgasemissionen bei. Während Nachhaltigkeitsmaßnahmen vor allem in Krankenhäusern und stationären Einrichtungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, rückt auch der ambulante Bereich, insbesondere die Arztpraxen, immer mehr in den Fokus. Besonders der Hygienebereich in Arztpraxen, der sowohl durch den Einsatz von Chemikalien als auch von Einwegprodukten geprägt ist, bietet großes Potenzial für Ressourceneinsparungen.

Im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben Forscherinnen des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) ein Gutachten zur Anpassung der Hygieneanforderungen im vertragsärztlichen Bereich erstellt. Ziel des Gutachtens ist es, Handlungsspielräume zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs zu identifizieren, ohne dabei die Patientensicherheit oder den Arbeitsschutz zu gefährden.

Das Gutachten basiert auf einem umfassenden, multimethodischen Ansatz, der unter anderem Dokumentenanalysen, qualitative Inhaltsanalysen, Literaturrecherchen sowie eine Online-Befragung von 666 Ärzt:innen und medizinischen Fachangestellten umfasst. Darüber hinaus flossen Fokusgruppeninterviews und die Entwicklung praxisorientierter Handlungsempfehlungen unter Einbeziehung von Expert:innen in die Ergebnisse ein.

Erkenntnisse und Herausforderungen im Praxisalltag

Ein zentrales Ergebnis des Gutachtens ist, dass die bestehenden Hygieneanforderungen im ambulanten Sektor häufig zu weitreichend sind und übermäßige personelle sowie natürliche Ressourcen beanspruchen. Dies betrifft insbesondere konservativ tätige Praxen, wie etwa Hausarztpraxen. Während Hygieneanforderungen für ambulant operierende Praxen oder Dialyseeinrichtungen in den Medizinhygieneverordnungen der Bundesländer bereits konkret geregelt sind, fehlen für konservativ tätige Arztpraxen explizite Vorgaben.

Die Analysen zeigen zudem, dass es erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung und Umsetzung der Hygieneanforderungen gibt. So bewerten 51 Prozent der Befragten die Anforderungen an den Hygieneplan, den jede Praxis erstellen muss, als angemessen, während 44 Prozent sie als zu weitreichend empfinden. Zudem bestehen Herausforderungen bei der Implementierung ressourcenschonender Maßnahmen, insbesondere im Umgang mit Einmalprodukten und der Abfallentsorgung. Ein weiteres Problem stellt der unzureichende Austausch zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen dar, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit multiresistenten Infektionen.

Auch die baulichen Hygienevorgaben werden von der Mehrheit der Befragten als praxisfern und schwer umsetzbar eingeschätzt. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Überwachung durch die Gesundheitsämter: 46 Prozent der Befragten empfinden diese als zu weitreichend. Einige der Befragten kritisieren in diesem Zusammenhang willkürliche Kontrollen und das Fehlen einer Standardisierung.

Handlungsempfehlungen für eine nachhaltigere Hygiene

Basierend auf den Ergebnissen formuliert das Gutachten konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Hygienepraktiken im ambulanten Sektor. Diese umfassen etwa: 

  • Klarere Hygienevorgaben und Empfehlungen: Entwicklung passfähiger Regelungen unter Einbindung des ambulanten Sektors, Überprüfung bestehender Empfehlungen auf Nachhaltigkeitsaspekte (wie z. B. der Länder oder der Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe (KRINKO))
  • Verbesserung des Hygienewissens: bestehende Informationsangebote ausweiten und an verschiedene Praxistypen anpassen, Stärkung der Eigenüberwachung in Praxen sowie der Hygieneausbildung im Medizinstudium, öffentliche Awareness-Kampagnen zur Ressourcenschonung durchführen
  • Mehr Unterstützungsangebote und Anreize: Prüfung von Abrechnungs- und Erstattungsregularien auf Fehlanreize, Verankerung der Ressourcenschonung in Leitfäden, Checklisten und Hygieneplänen, finanzielle Unterstützung für kostspielige Maßnahmen prüfen, ökologisches Siegel für Arztpraxen fördern
  • Medizinprodukthersteller stärker einbeziehen: Verpflichtende Beteiligung an Maßnahmen zur Ressourcenschonung, Informationen zum ökologischen Fußabdruck von Produkten bereitstellen
  • Gezielte Forschungsförderung: Projekte mit hohem Potenzial zur Ressourcenschonung identifizieren und fördern


Dr. Tanja Bratan, die am Fraunhofer ISI das Geschäftsfeld Innovationen im Gesundheitssystem leitet und das Projekt im Auftrag der KBV koordinierte, zieht folgendes Fazit: „Das Gutachten des Fraunhofer ISI zeigt auf, dass die Besonderheiten des ambulanten Sektors bislang unzureichend in der Hygiene-Regulierung berücksichtigt werden. Gleichzeitig bietet es Impulse, wie durch gezielte Anpassungen Effizienzsteigerungen und Nachhaltigkeitsgewinne erzielt werden können – ohne dabei die Patient:innen oder die Mitarbeitenden zu gefährden.“


Zur Pressemitteilung: https://www.isi.fraunhofer.de/de/presse/2025/presseinfo-05-reduktion-ressourcenverbrauch-arztpraxen-hygienevorgaben.html

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Zum Weltgesundheitstag am 07.04.2025 fordert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), sich mehr als bislang um einen vernachlässigten Patienten besonderer Art zu kümmern: den Gesundheitssektor selbst. „Rasanter Rohstoff- und Ressourcenverbrauch, täglich tonnenweise Abfall und enorme Treibhausgasemissionen bedrohen Umwelt und Klima“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Das müssen wir ändern.“ Ein Anfang ist mit der DBU-Förderinitiative „CirculAid“ für mehr Kreislaufwirtschaft in der Gesundheitsversorgung gemacht. Nun bietet sich für pfiffige, innovative Ideen eine neue Gelegenheit: Unter dem Link https://www.dbu.de/themen/foerderinitiativen/circulaid/ können zusätzlich Förderanträge eingereicht werden.

Fünf CirculAid-Projekte mit fast 1,2 Millionen Euro von Deutscher Bundesstiftung Umwelt unterstützt

Die fünf bislang von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten CirculAid-Projekte verfügen über ein Gesamtfördervolumen von knapp 1,2 Millionen Euro. Die meisten dieser Projekte laufen im Laufe dieses Jahres aus, ein Projekt ist bis 2027 angesetzt. Weitere Fördervorhaben sind geplant. Das Einsparpotenzial hinsichtlich klimaschädlicher Treibhausgase (THG) wie Kohlendioxid sowie beim Verbrauch von Rohstoffen und der Abfallmenge ist erheblich. Laut Bondes ist dies unter anderem auf über Jahrzehnte etablierte lineare Denk- und Geschäftsmodelle zurückzuführen. Bonde: „Diese simple take-make-waste-Strategie zum Verbrauchen, Verwenden und Verschwenden von Rohstoffen muss zum Auslaufmodell werden – besonders auch im Gesundheitssektor. Die Erde und ihre Ressourcen schützen wir am besten durch eine umfassende Kreislaufwirtschaft.“ Eine solche Circular Economy beginne bereits beim Produktdesign, reiche über die Müllvermeidung „und umfasst auch das Wiederverwenden, Wiederverwerten, Teilen, Reparieren und Recyceln“. Der DBU-Generalsekretär weiter: „Leider haben im Gesundheitssektor Einwegprodukte die Mehrfachnutzung und die Kreislaufwirtschaft oft verdrängt. Dadurch gehen wertvolle Rohstoffe unwiederbringlich verloren und Rohstoffverbrauch wird befeuert. Das müssen wir anpacken und umkehren.“

Im Gesundheitssektor schlummert ein Ressourcenschatz

Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) sowie des Umweltbundesamts (UBA) verdeutlichen das erhebliche Ressourceneinsparpotenzial im Gesundheitssektor. Demnach verbraucht das Gesundheitswesen in Deutschland jährlich über 100 Millionen Tonnen Rohstoffe und liegt damit im sektoralen Vergleich an vierter Stelle – hinter den Bereichen Bauwesen, öffentliche Verwaltung und der verarbeiteten Lebensmittelindustrie.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Treibhausgasemissionen: Laut Fraunhofer ISI entfallen etwa sechs Prozent der nationalen direkten und indirekten THG-Emissionen auf das Gesundheitswesen, was diesen Bereich zum drittgrößten Verursacher nach Bauwirtschaft und Lebensmittelproduktion macht. Der Ressourcenverbrauch ist laut UBA zwischen 1995 und 2016 um rund 80 Prozent gestiegen – mit weiter zunehmender Tendenz.

Eng damit verknüpft ist ein deutlich wachsendes Abfallaufkommen. Neben Einwegprodukten und Verpackungen summieren sich die Abfälle – von medizinischen Instrumenten wie Kehlkopfspiegeln und Scheren bis hin zu Kitteln und Schüsseln – zu erheblichen Mengen. Allein Krankenhäuser verursachen jährlich nahezu fünf Millionen Tonnen Müll und zählen damit zu den fünf größten Abfallverursachern in Deutschland. Zusätzlich fallen große Mengen an Abfall auch in weiteren Gesundheitseinrichtungen wie Pflegeheimen, Rehakliniken und Arztpraxen an.

„Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen“

...sagt Dr. Max Hempel. Der zuständige DBU-Abteilungsleiter weiter: „Um eine klimaneutrale und ressourcenschonende Gesundheitsversorgung zu erreichen, muss die Senkung des Ressourcenverbrauchs an erster Stelle stehen. Dafür suchen wir modellhafte und innovative Leuchtturmprojekte.“ Nach Hempels Worten richtet sich der Appell vor allem an kluge Köpfe in den Sektoren chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse, medizintechnische Gegenstände und Geräte sowie Textilien und persönliche Schutzausrüstung. Hempel: „Als Projektansätze bieten sich zum Beispiel Produkt- und Verfahrensoptimierungen, aber auch Abfall- und Ressourcenmanagement sowie Qualifizierungsmaßnahmen an, die die Ressourceneffizienz ins Visier nehmen.“ Die DBU-CirculAid-Initiative richte sich sowohl an Kliniken, Heime und Praxen als auch an Hochschulen und Ausbildungsstätten im medizinischen Bereich. Hempel: „Kooperationen von kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Forschungseinrichtungen sind ausdrücklich erwünscht.“

Fest statt flüssig: Warum Seife beim Ressourcensparen im Gesundheitssystem helfen kann

Die fünf bislang von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten CirculAid-Projekte verdeutlichen die Bandbreite möglicher Ansätze für mehr Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen. Ein Projekt zielt auf die Entwicklung eines Verfahrens, mit dem ein Teil des bislang anfallenden Kunststoffabfalls stofflich recycelt und zu hygienisch unbedenklichem Rezyklat verarbeitet werden kann. Ein weiteres Vorhaben untersucht das zirkuläre Potenzial von Beatmungssystemen, die derzeit überwiegend aus Einwegkomponenten bestehen und nach Gebrauch entsorgt werden.

Auch der Bereich der Operationssaalinstrumente wird adressiert – hier geht es um das Recycling von OP-Werkzeugen sowie um die Entwicklung hygienisch sicherer Mehrwegtextilien für den OP-Bereich. Besonders innovativ erscheint ein Projekt, das sich mit einem bislang kaum hinterfragten Standard beschäftigt: In Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum und dem Luisenhospital Aachen wird geprüft, ob feste Seife als ressourcenschonende Alternative zur bislang üblichen Flüssigseife im Klinikalltag eingesetzt werden kann. Die Projekte zeigen, dass erhebliche Einsparpotenziale realisierbar sind – vorausgesetzt, bestehende Routinen und Denkweisen werden kritisch hinterfragt und neu ausgerichtet.


Zur Pressemitteilung: https://www.dbu.de/news/ideen-fuer-eine-rohstoff-schonende-gesundheitsversorgung-gesucht/

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