Erste-Hilfe-Handbuch Homöopathie
Ein Leitfaden für die Akutbehandlung (Kruzel, Thomas)

MVS Medizinverlage, Stuttgart, 2000, 503 S., 49,95 € - ISBN 3-8304-7007-X

Rezension von: Dr. Hubert Kolling

MVS Medizinverlage, Stuttgart, 2000, 503 S., 49,95 € - ISBN 3-8304-7007-X Wer das hohe Ziel - alle Fälle heilbarer dynamischer Erkrankungen durch Homöopathie zu heilen - erreichen will, muss mit den Prinzipien der Homöopathie, wie sie im Organon gelehrt werden, bis ins Kleinste vertraut sein und er muss wissen, wie er mit der zuverlässigen Materia medica, z.B. Hahnemanns Chronischen Krankheiten, umgeht. Hahnemann, der niemals einen klinischen Fall veröffentlicht und nie daran gedacht hat, einen klinischen Leitfaden zu schreiben, bestand unerbittlich auf dem Grundsatz, ein Heilmittel nicht mit dem Namen der Krankheit gleichzusetzen. Dennoch erschienen im Laufe der Zeit eine Reihe klinischer Handbücher, zu denen auch das vorliegende "Erste-Hilfe-Handbuch Homöopathie" von Thomas Kruzel (N.D.) zu zählen ist, die dem Praktiker einen Überblick über die besonders charakteristischen Symptome der wichtigsten Mittel liefern, die bei einer bestimmten Erkrankung infrage kommen. Ziel der vorliegenden Veröffentlichung ist es, besonders weniger erfahrenen Praktikern in akuten Fällen eine Hilfestellung zu geben, wenn eine lange Suche nach dem Simillimum nicht durchführbar ist. André Saine (N.D., D.H.A.N.P.) hat zu dem Buch, das 1992 in einer amerikanischen Ausgabe erschien und nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt, ein Vorwort geschrieben, in dem sie unter anderem auf zwei grundsätzliche Nachteile klinischer Handbücher aufmerksam macht. Erstens habe jedes dieser Bücher seinen Schwachpunkt in der ihm eigenen Unvollständigkeit, da nur die wichtigsten Mittel für die jeweilige Erkrankung aufgelistet werden können. Auch beschränke sich die Symptomenbeschreibung für jedes aufgeführte Mittel auf die besonders charakteristischen Leitsymptome. Zweitens bestehe die unwiderstehliche Versuchung, Mittel ("die besten Mittel") mit einer bestimmten Krankheit gleichzusetzen. Die Praxis der reinen Homöopathie bestehe jedoch, so der zurecht warnende Hinweis der Autorin, im Gegensatz zur Allopathie in der ständigen Individualisierung: "Bei der homöopathischen Arbeit ist es unser Ziel, die Gesundheit wieder herzustellen, indem wir die Kranken immer in ihrer Individualität behandeln" (S. 12). Jedes Mittel könnte für jeden Fall infrage kommen, selbst wenn es bisher noch nie dafür angewendet oder angegeben wurde. Diese unbegrenzte Möglichkeit, die beste Entsprechung zwischen den Symptomen des Patienten und dem Mittel herauszufinden, wie es die Ähnlichkeitsregel postuliert, könne ein klinisches Handbuch nicht bieten. Auf diesen Sachverhalt weist auch Thomas Kruzel in seiner Einleitung hin, indem er betont: "Das vorliegende Handbuch kann und darf das Studium der homöopathischen Materia medica, eine gute Fallaufnahme oder das genaue Repertorisieren nicht ersetzen, ebenso wenig eine gründliche Fallaufnahme bei der Behandlung einer chronischen Krankheit. Fundierte Kenntnisse in all diesen Bereichen sind Voraussetzung dafür, den größtmöglichen Nutzen aus der Arbeit mit dem vorliegenden Handbuch zu ziehen" (S. 17).

Unter Beachtung dieser Hinweise steht der Benutzung des praxisgerechten und zuverlässigen "Erste-Hilfe-Handbuchs Homöopathie" nichts im Wege. In dem "Leitfaden" sind sowohl die einzelnen Krankheiten als auch die Mittel, welche am häufigsten Patienten mit diesen oder ähnlichen Leiden geheilt haben, in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Störung oder Krankheit und gibt gleichzeitig einige Richtlinien, um einschätzen zu können, wann es sich um einen medizinischen Notfall handelt und wann eine ärztliche Abklärung des Falles erforderlich ist. Den klinischen Diagnosen sind die am häufigsten infrage kommenden homöopathischen Mittel mit ihren besonders charakteristischen Symptomen zugeordnet. Dabei werden die Modalitäten der einzelnen Arzneien besonders übersichtlich herausgestellt. Verweise auf die jeweilige Quelle im Kent´schen Repertorium sowie ein ausführlicher therapeutischer und ein Arzneimittelindex optimieren den Gebrauch des Buches ebenso wie die im Anhang aufgeführten Flussdiagramme zu akuter Blasenentzündung, akuter Mittelohrentzündung, akuter Gastroenteritis, schmerzlosem Durchfall, abdominellem Schmerz/Bauchschmerz sowie Schmerzen im Enddarm.

Das "Erste-Hilfe-Handbuch" von Thomas Kruzel ist zunächst für diejenigen hilfreich, die die Kunst des Repertorisierens und der Fallanalyse noch nicht ganz beherrschen. Daneben wird aber auch jeder gewissenhafte Praktiker in dem "Leitfaden für die Akutbehandlung" ein schnelles und wertvolles Hilfsmittel finden. Aufgrund seiner Aufmachung (Taschenbuchformat und fester Einband) eignet sich das Buch ideal als handlicher Begleiter, sei es nun auf Reise, in der Klinik oder in der Praxis.

Grundwissen Psychologie, Soziologie, Pädagogik
Lehrbuch für Krankenpflegeberufe (Kulbe, Anette)

Kohlhammer Verlag Stuttgart C 2001 232 Seiten, 24 Abbildungen 18,30 €

Rezension von: Dr. Eva Niklaus
Krankenschwester und Dipl. Pädagogin

Nach der Zeit eines größeren Vakuums ist in den letzten Jahren eine kleine Anzahl von Lehrbüchern für den Psychologie-, Pädagogik- und Soziologie-Unterricht an Pflegeschulen neu herausgegeben worden. Anette Kulbes Buch ist eines davon. Es richtet sich, so die Autorin sowohl an Pflegekräfte, die über Berufserfahrung verfügen, als auch an Pflegeschüler/innen in der Zeit ihrer Grundausbildung und in der Phase des Berufseinstieges. Entsprechend breit gestreut sind die Themen:
  • Gesundheit und Krankheit,
  • der Patient und seine Erlebens- und Sichtweise,
  • psychologische Grundlagen menschlichen Verhaltens,
  • Motive und Bedürfnisse,
  • Wahrnehmungspsychologie usw.
Einen großen Raum nimmt das Thema der Kommunikation und Gesprächsführung ein. Als Inhalte der Sozialpsychologie und Soziologie werden die Rollen-Theorie, die Gruppe in ihrer Funktion und Bedeutung und der Aspekt des Führens und Leitens von Gruppen vorgestellt. Erziehung - als pädagogisches Handwerkszeug - wird ausdifferenziert in die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen, Erziehungsziele und Überlegungen zum Thema Erziehen in der Pflege. Die letzten zwei Kapitel befassen sich mit Streß und Streßbewältigung im Allgemeinen und mit besonderen Belastungssituationen im Pflegeberuf der inneren Kündigung, der Helferpersönlichkeit, dem Burnout Syndrom und dem Extremfall des Mobbing.

Das Buch besticht in seiner Klarheit der Gliederung und Darstellung von Wissen. Interessierte Leser/innen können sich dank der Randbemerkungen und einem guten Sichtwortverzeichnis schnell zurechtfinden. Wichtige Definitionen und Zusammenfassungen sind eingerahmt und weisen darauf hin: dies sollte behalten und beachtet werden. Sie lassen den Lehrbuchcharakter dieser Veröffentlichung erkennen.

Diese Klarheit in der Darstellung wäre auch in der genaueren Auswahl der Zielgruppe dieses Buches wünschenswert gewesen. Die Grundausbildung in der Pflege erfordert mehr konkrete Themen, z.B. Lerntheorien, Entwicklungspsychologie (Gefahr des Hospitalismus, lebenslanges Lernen an Lebensthemen und Lebenskrisen, Grenzerfahrung des Todes) oder, aus der Organisations-Soziologie, der Hinweis auf die Zielkonflikte innerhalb jeder Institution. Eine zielgruppengerechtere Auswahl von Themen, die näher an den Auszubildenden und in ihrer Berufseinsteiger-Situation sind, wären dann möglich gewesen. Es geht ja im Unterricht auch darum, das Interesse und die Neugier für pädagogisch/psychologische. Fragestellungen zu wecken. Ist diese Initialzündung einmal passiert, greifen die Schüler/innen später von selbst zu weiterführender und differenzierterer Literatur zu den Fragen, die sich möglicherweise dann erst in ihrer Berufspraxis ergeben (Leitung von Gruppen, Burnout- und Mobbing-Problematik usw.). Daß die Autorin dies im Blick hat, zeigt die anregende Liste mit Buchtips zum Weiterlesen.

Unklar bleibt auch das Verständnis vom Begriff "Erziehung". Einerseits ist von Erziehungszielen die Rede wie Mündigkeit, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung. Das sind zentrale Ziele auch in der Pflege und richtig benannt. Dann aber lassen Sätze wie "Krankenschwestern und Krankenpfleger (...) erziehen Pflegeschüler und Patienten" oder die Überschrift ".... Patienten sind wie Kinder - Zur Erziehungsbedürftigkeit und Erziehungsfähigkeit des Patienten" stutzig werden. Wo bleibt hier die Achtung vor der Selbstbestimmung, Selbstverantwortung der Patienten und die Notwendigkeit der Selbsterziehung bei Erwachsenen? Im gleichen Satz und an vielen anderen Stellen ist mit Anleiten, Informieren, Instruieren, Aufklären usw. viel besser ausgedrückt, was pädagogisches und pflegerisches Handeln ausmacht und wie eine Annäherung zu den genannten Zielen erreicht werden kann. In einer Neuausgabe sollte diese Unklarheit unbedingt beseitigt werden.

Kann dieses Lehrbuch von A. Kulbe empfohlen werden?

  • Ja: drei bis vier Ausgaben davon in jede Schülerbibliothek zu den anderen Psychologie/Pädagogik Lehrbüchern. Gleiche Themen können von Schüler/-innen herausgearbeitet und verglichen werden. Das läßt Unterschiede erkennen, provoziert zu Fragen nach dem Warum und fordert eigene Erfahrungen und Meinungen heraus.
  • Nein: als das alleinige ausbildungsbegleitende Lehrbuch im Psychologie/Pädagogik und Soziologie Unterricht. Da ist es besser, die Schüler/innen stellen sich mit ihren Arbeitsergebnissen, Referaten, Arbeitsblättern, aktuellen Zeitungsartikeln, mit Karikaturen und Schaubildern selbst ein Lehr- und Lernbuch zusammen. Das hier vorgestellte Lehrbuch kann dazu viele gute Anregungen geben.

Medizingeschichte und Medizinethik
Kontroverse und Begründungsansätze 1900-1950 (Frewer, Andreas und Josef N. Neumann (Hrsg.))

Campus, Frankfurt, 2001, 412 S., 45,00 € - ISBN 3-593-36850-1

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Die Medizinethik ist an den meisten deutschen Universitäten mit Medizinischen Fakultäten am Institut für Medizingeschichte angesiedelt. Dazu haben in den Institutionen sicher vielfach Zufälle beigetragen. Die Verbindung von Medizingeschichte und -ethik findet aber auch eine sachliche Begründung darin, dass sich die Medizinethik stets mit den medizinischen Handlungsmöglichkeiten weiterentwickelte. So entsprach eine Medizinethik als nahezu ausschließliche Lehre ärztlichen Verhaltens einem medizinischen Handlungsrepertoire, das weitgehend auf Beratung und das Herstellen wie auch immer gedachter Harmonien beschränkt war; und eine Medizin mit weit reichenden Handlungsmöglichkeiten bedarf einer Medizinethik, die sich um eine ebenso differenzierte Begründung ärztlichen Handelns bemüht. Auch wenn es immer Weiterentwicklungen gab, kann jedoch das 20. Jahrhundert als ein Zeitraum identifiziert werden, in dem die meisten Grundsteine für die Medizin, wie sie uns heute selbstverständlich ist, gelegt wurden - und in dem mit den Menschen verachtenden Aktionen mancher Ärzte in Nazi-Deutschland ärztliches Handeln einen vorläufig absoluten moralischen Tiefpunkt erreicht hat, was bei dem Bemühen um die Begründung ärztlichen Handelns fürderhin nie unberücksichtigt bleiben kann.

Der vorliegende erste Band einer neuen Reihe - Medizin und Kultur - basiert auf einer Tagung, die die Institute für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitäten Halle-Wittenberge und Göttingen im Dezember 2000 in den Franckeschen Stiftungen in Halle veranstalteten. Diese Tagung wiederum ging auf die Zusammenarbeit zweier Arbeitskreise der Akademie für Ethik in der Medizin (Sitz Göttingen) zurück, des Arbeitskreises "Begründungsfrage und Begründungsansätze in der Medizinethik" (Leiter: Professor Dr. J. N. Neumann, Halle) und des Arbeitskreises "Geschichte der Medizinethik" (Leiter: Dr. A. Frewer). Eine Begrenzung ist stets willkürlich und in der Regel einem begrenzten Umfang und dem Wunsch nach Ausführlichkeit geschuldet. Für die Begrenzung des Betrachtungszeitraumes auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in dem vorliegenden Buch können die Herausgeber zwei markante Eckdaten angeben: die Preußischen Anweisungen zur Forschung am Menschen im Jahr 1900 sowie den Nürnberger Ärzteprozess mit der Formulierung des medizinethischen Kodex von 1947 und die Neufassung des hippokratischen Eides in der Genfer Fassung von 1948. Im Jahr 2000 war zudem des 50. Todestages von Emil Abderhalden zu gedenken, des Initiators der ersten Zeitschrift mit dem Schwerpunkt "Medizinethik".

Die 15 Beiträge des Bandes spannen einen weiten Bogen und sind jeder für sich lesenswert - selbstverständlich sind die Menschenversuche sowie der Nürnberger Ärzteprozess Themen, aber auch z. B. "Medizinethik und Rationalisierung im Umfeld des ersten Weltkrieges" oder "Zwischen medizinischem Paternalismus und Patientenautonomie"; und es wird an das Werk wichtiger Persönlichkeiten erinnert, die vieles von dem erdacht und implementiert haben, das uns heute allzu selbstverständlich ist, an Albert Moll, Albert Niedermeyer, Victor von Weizsäcker und Emil Abderhalden; sehr informativ sind die Ausführungen von J. N. Neumann zu den Hauptströmungen der medizinischen Theoriediskussion in ihrer Bedeutung für die Medizinethik zur Zeit der Weimarer Republik; dass die Thematik nicht abgeschlossen ist, wird vor allem im letzten Beitrag deutlich, in dem N. Biller-Andorno der Frage nach einer universellen Medizinethik nachgeht und zu folgendem Resümee gelangt: "Als Resümee ließe sich mit Bezug auf die Frage nach einer universellen Medizinethik für einen (zumindest) pragmatisch begründeten Universalismus plädieren, der mit der Festlegung konkreter Inhalte zurückhaltend ist und sich eher auf formale Prinzipien stützt. Eine solche Position könnte zwischen den Extrempositionen eines kontextinsensitiven Allgemeingültigkeitsanspruchs und einem normative Schlussfolgerungen erschwerenden Relativismus vermitteln, so dass sich historisch-kulturelle und allgemein gültige Standards möglicherweise doch nicht so unvereinbar gegenüberstehen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag."

Das Buch sei zur Lektüre allen an den ethischen Fragen im Bereich der Gesundheitsversorgung Interessierten sehr empfohlen.