Aggression in der Pflege |
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Wenn von Aggression oder Gewalt in der Pflege die Rede ist, werden in der Regel Gewalthandlungen von Pflegenden in ihren verschiedenen Ausformungen assoziiert, über die man, zumindest über die Exzesse, immer einmal wieder auch in der allgemeinen Presse lesen kann. Bei der Debatte über die Problematik von Gewalthandlungen in Pflegebeziehungen entgeht, wenn sie allzu sehr von den zu verurteilenden Exzessen geprägt wird, nicht selten und allzu leicht der Umstand, dass auch Pflegende in vielfältiger Weise Aggressionen und Gewalt seitens der zu Pflegenden ausgesetzt sind. Und genau diesen Aspekt fokussieren die Autoren des vorliegenden Büchleins; es sind ein Jurist und eine Psychologin, die beide auch in der Fort- und Weiterbildung in den Pflegeberufen tätig sind. Selbstverständlich produziert Aggression, von welcher Seite sie auch immer ausgeht, sehr leicht Gegenaggression, so dass es den Autoren vor allem darum geht, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit aggressivem Verhalten umgegangen werden kann. Die Situationen, auf die Bezug genommen wird, sind überwiegend dem Bereich der Langzeitpflege (Heim, ambulante Pflege) und der Psychiatrie entnommen. Und gerade für diese Bereiche pflegerischen Handelns wird im besonderen gelten müssen, dass es Bestandteil professionellen Handelns ist, mit von Bewohnern oder Patienten ausgehender Aggression angemessen umgehen zu können.
Das Büchlein ist in einen psychologischen und einen juristischen Teil gegliedert. In dem ersten - psychologischen - Teil werden zunächst kurz, aber gut verständlich Aggression und Gewalt definiert sowie die Aggressionstheorien dargestellt. Im weiteren werden in diesem Teil die möglichen Reaktionen auf aggressives Verhalten erörtert, wobei auch auf institutionell bedingtes und durch die Persönlichkeit der Pflegenden bedingtes aggressives Verhalten eingegangen wird. Der letzte Abschnitt in diesem Teil ist der Prävention von Gewalt und Aggression gewidmet. Möglichkeiten der Prävention werden zum einen in einer professionell durchgeführten Pflege, wozu u.a. soziale Kompetenz, eine gute Arbeitsorganisation und Supervision gehören, und zum anderen darin gesehen, dass die Pflegenden auch etwas für sich selbst tun.
In dem zweiten - juristischen - Teil werden mit vielen anschaulichen Beispielen die straf- und zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe für Gegenwehr (Notwehr, Nothilfe, Notstand, Einwilligung) dargestellt. Entscheidende Bedeutung kommt bei allen Vorkommnissen der präzisen und nachvollziehbaren Dokumentation zu. Kleine Abschnitte sind in diesem Teil abschließend dem arbeitsrechtlichen Schutz des Personals sowie den im Rechtssituation vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten (Strafanzeige bis Unterbringung) gewidmet.
Das Büchlein ist allen im Langzeitpflegebereich und in der Psychiatrie Tätigen als Ratgeber zu empfehlen. Es ersetzt allerdings nicht die notwendige Auseinandersetzung der Pflegenden mit der komplexen Problematik der verschiedenen Facetten von Gewalt in pflegerischen Handlungen, die von Pflegenden ausgeht und von Formen der sprachlichen Gewalt über die Vernachlässigung bis hin zur Tötung von Pflegebefohlenen reichen.