„Das Pflegesystem“ – seine Organisationen und Karrieren |
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Im vorliegenden Buch versucht der Autor die Frage des Vergleichs des deutschen Pflegesystems mit den primären Funktionssystemen zu beantworten und betrachtet dazu die diesbezüglichen Funktionen des Pflegesystems, seine Codierung, die Besonderheit der Pflegekommunikation sowie den pflegebedürftigen bzw. ungepflegten Körper als Medium und Form. Im Gegensatz zu den primären Funktionssystemen wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft etc. ist die Pflege als sekundäres Funktionssystem zu bezeichnen, weil es sich historisch spät überhaupt als Funktionssystem ausdifferenziert hat.
Zudem werden die Funktion der Pflegeorganisationen und die Verlaufsformen pflegerischer Erwerbskarrieren sowohl in der Entstehung des sekundären Funktionssystems der Pflege als auch im Zusammenhang mit der Modernisierung der Gesellschaft thematisiert. Zum Schluss wird der Frage nachgegangen, ob die Pflege trotz ihrer funktionsspezifischen Heterogenität zentrale Gemeinsamkeiten aufweist, die es erlauben, sie als ein sekundäres Funktionssystem der modernen Gesellschaft zu bezeichnen.
Eindrücklich beschreibt der Autor die Entwicklung des deutschen Pflegesystems und zeigt auf, dass sich dieses am Ende seiner Entstehungsphase in eine Pluralität von Pflegeorganisationen differenzierte, welche eine Unterscheidung von eher traditionsorientierten Organisationsformen auf der einen und moderneren Organisationsformen auf der anderen Seite zum Ausdruck brachten. In Abhängigkeit von ihrem historischen Ausgangspunkt verzögerten oder beschleunigten diese als individuelle und kollektive Akteure die Modernisierung des Pflegesystems, weil sie hinsichtlich des Expertenwissens unterschiedliche Ziele verfolgten und damit ebenso in der schichtenspezifischen Rekrutierung andere Wege gingen. Diese Unterschiedlichkeiten äußerten sich vor allem auch in der Diskussion um die Einführung einer Pflegeausbildung.
Als besonders bedeutsam für die Ausdifferenzierung der Pflege erwies sich die Medizin, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum dominanten Funktionssystem im Gesundheitswesen aufgestiegen ist. Die Dominanz der Ärzte koppelte den Pflegecode, die darauf bezogene Pflegekommunikation und die damit verbundenen Aufgaben strikt an ärztliche Weisungen und ließ somit die Pflegetätigkeit zur Zu- und Ausführungsarbeit des Arztes werden.
Die Darstellung und Reflexion der pflegerischen Erwerbskarrieren lässt den Autoren zum Schluss kommen, dass diese unter den heutigen Bedingungen des sich rasch wandelnden Pflegesystems plural und riskant geworden sind. So planen die Personen ihre pflegerischen Erwerbskarrieren ohne zu wissen, wohin sich das Pflegesystem entwickeln wird.
Zum Schluss des Buches wird unter systemtheoretischen Aspekten reflektiert, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich das Pflegesystem als sekundäres Funktionssystem etablieren kann.
Die Darstellung der vom Autoren bearbeiteten Themen über das deutsche Pflegesystem ist sehr aufschlussreich und trägt einiges zum Verständnis der heutigen Situation im Pflegebereich bei. Die aufgezeigte Entwicklung lässt sich vermutlich ansatzweise auch auf andere deutschsprachige Nationen übertragen, so dass das Buch auch für Pflegepersonen außerhalb Deutschlands von Interesse sein kann. Ebenso könnten die Ausführungen zur Thematik der pflegerischen Erwerbskarrieren als Ansatzpunkt für entsprechende Interventionen genutzt werden.
Das vorliegende Buch ist als äußerst anspruchsvoll zu bezeichnen und ist ohne Vorkenntnisse in Soziologie und Systemtheorie sehr schwierig zu lesen. So richtete es sich denn auch vor allem an Weiterbildungsteilnehmer/innen und Studenten/-innen. Für diese ist es jedoch absolut empfehlenswert.