Lernsituationen planen und gestalten
Handlungsorientierter Unterricht im Lernfeldkontext (Schewior-Popp, Susanne )

Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005, 224 S., 35 Abb., 19,95 €, ISBN 3-13-140751-4

Rezension von: Renate Schwarz-Govaers

Alle reden von Lernsituationen, wir auch! Endlich ein Buch, dass den lernfeldverwirrten Lehrpersonen in den Gesundheitsberufen eine praktische Handhabung bietet. Doch es bietet viel mehr, aber auch weniger. Um es vorweg zu sagen: Es gibt einen wunderbaren Überblick über die relevanten Themen des Unterrichtens. Doch es sagt wenig aus zum Thema, wie man Lernsituationen bei einem handlungsorientierten Unterricht im Lernfeldkontext planen und gestalten kann.

Für alle Anfänger/innen im Unterrichten gibt das Buch eine sehr anschauliche Zusammenfassung über zentrale Fragestellungen der unterrichtlichen Planung in der Pflegeausbildung. Die Textgestaltung in zwei Spalten erleichtert das flüssige Lesen. Bilder und Schemata, Merksätze und Beispiele sind ansprechend und informativ. Nach jedem Kapitel wird auf wenige weiterführende und vertiefende Literatur hingewiesen, welche die Studierenden aus der Flut von Medien rettet.

Die Kapitelüberschriften verweisen auf komplexe Informationen, die zuerst eine Übersicht über „Berufspädagogische Leitbegriffe“ liefern (Kompetenz- Handlungs- und Lernfeldorientierung, Kap. 2), die curriculare und didaktische Konsequenzen“ aufzeigen (Kap. 3) und die zur „Umsetzung des Lernfeldkonzeptes in den Ausbildungen der Pflegeberufe“ auf rechtliche und berufspolitische wie berufspädagogische Grundlagen hinweisen (Kap. 4). Die Lernmodule des Rahmenlehrplans von Rheinland-Pfalz geben beispielhaft eine erste curriculare Übersicht über die neue Fächer- und Stundenverteilung.

Das in Kapitel 5 formulierte „Pädagogische und pflegerische Grundverständnis: Lehren und Lernen in und aus Verantwortung für Patienten“ kann als Appell für das Lehrerhandeln in Gesundheitsberufen generell aufgefasst werden. Es betont die ethische Verantwortung der Lehrenden nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Patienten.

Diese ersten fünf Kapitel können als kurze Einführung in das unterrichtliche Handeln verstanden und gelesen werden. Doch das Kapitel 6 „Lernsituationen planen – Lehr- und Lernhilfen für die Planung von theoretischem und praktischem Unterricht“ verspricht nun entsprechend dem Titel des Buches konkrete Hinweise. Es enthält eine allgemeindidaktische Einführung über alle wichtigen Aspekte einer Unterrichtsplanung wie der „Situationsdimension“, „der Ziel-, Inhalts- und Methoden-/Organisationsdimension“ sowie der „Unterrichtsgestaltung“. Dies wird auch durch einen konkreten Unterrichtsentwurf veranschaulicht, den Sylvia Leopold, eine Diplomstudentin an der KFH Mainz, entworfen hatte.

Als Merksatz wird hierzu noch angeführt: „Ziel der Auseinandersetzung mit der Situationsdimension ist es, bezogen auf die je konkret anstehende Planungsentscheidung, Rahmenbedingungen und Lernvoraussetzungen der Schüler als wesentliche Bedingungsfaktoren der Planung zu erkennen und zu analysieren sowie die Ergebnisse der Analyse entscheidungsrelevant in die Planungsüberlegungen miteinzubeziehen.“ (S. 48f)

Spätestens hier beginnt mein Suchen und Fragen: was ist hier anders als in einem Unterrichtsentwurf, den Lehrende vor der Diskussion um den Lernfeldansatz vorlegten. Ich finde wenig Hinweise, wie Lernsituationen bei einem handlungsorientierten Lernfeldkonzept in anderer, den neuen Anforderungen entsprechenden Form im Unterricht geplant und realisiert werden können. Was ist das „Eigentlich-Neu-zu-Erlernende“ (nach der alten phänomenologischen Didaktik von Maier & Pfistner, Grundlagen der Unterrichtstheorie und Unterrichtspraxis, Heidelberg 1996 gefragt), wenn ich Lernsituationen planen und gestalten soll? Welches professionelle Fallverstehen wird von den Lehrenden erwartet, um Lernsituationen mehrperspektivisch deutbar und bearbeitbar zu machen?

In Kapitel 7 erwarte ich Antworten, wie man „Lernsituationen methodisch und organisatorisch gestalten“ kann. Hier wird eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden aufgeführt und einleuchtend und klar beschrieben. Doch welche Zugänge zu Lernsituationen erhalte ich durch welche Unterrichtsmethode, welche erleichtern oder erschweren mir welche Zielerreichung? Es werden in diesem Kapitel neben den Sozialformen (7.1), dem Visualisieren und Moderieren (7.2), dem Lehrervortrag (7.3), den Gesprächsarten (7.4) und der Demonstration und Simulation (7.5) als altbekannte und bewährte Unterrichtsmuster noch einige Methoden aufgeführt, die einen spezifischen Zugang zu Lernsituationen erlauben: außer Projekt-Methode (7.8.) sind dies vor allem das „Rollenspiel und Szenische Spiel“ (7.7) und der „Fallbezogene Unterricht“ (7.7) mit dem POL-Konzept. Wenn Handlungsorientierung als Basis zur Kompetenzentwicklung im Lernfeldkonzept gesehen wird, müssen sich auch die Lernsituationen auf die drei Ebenen der Handlungsorientierung nach Pätzold (wie auf S. 18 im besprochenen Buch beschrieben) beziehen:

  • auf die Zielebene (dem selbstständigen, reflektierten Handeln)
  • auf der Aktionsebene (den Methoden des selbst organisierten Lernens)
  • auf der Kontextebene (den lernanregenden Arrangements).
Alle Unterrichtsmethoden können und müssen sich an diesen Kriterien der Handlungsorientierung, der Kompetenzförderung und der Situationsorientierung messen lassen.

Das 8. Kapitel befasst sich mit dem „Lernort Praxis: Klinischer Unterricht und praktische Anleitung“ und zeigt „Konzepte ‚praktischen’ Lernens“ (8.3) wie das „Lernen am Modell“ und das „Cognitive Apprenticeship“ mit kurzen Hinweisen auf. Der „Strukturierungsleitfaden für eine differenzierte Anleitungssituation“ (8.5) gibt aber die in der Regel anzutreffende Praxisanleitung wider. Die Vorteile von „Lehrstationen (für das) interdisziplinäre Lernen am Lernort Praxis“ (8.6) werden überzeugend dargestellt. Wie Lernsituationen (bei einem handlungsorientierten Unterricht in Lernfeldkonzept) in der Praxis systematisch geplant und evaluiert werden können, bleibt offen (wie z. B. in Müller & Koeppe, 2003: Lernen im beruflichen Handeln, in PrInterNet 5(1), 27ff).

Auch das „Leistungen erfassen und bewerten“ in Kapitel 9 bildet vorwiegend bekannte Konzepte gut verständlich ab. Doch gerade hier sind die Lehrenden vor große Probleme gestellt, um mit dem Lernfeldansatz nicht in die alten Prüfungsmuster nach dem Fachprinzip zu verfallen. Die Gesamtthematik wird anschaulich dargestellt, alle wichtigen Themenbereiche angesprochen. Zur „Schriftlichen Leistungsmessung“ (9.1) werden verschiedene Aufgabenarten erläutert und auf die Problematik bei „fallbezogenen Erfolgskontrollen“ eingegangen. Bei der „Variante 2“ werden zu einem vorgegebenen Fall Prüfungsfragen aus unterschiedlichen Fachbereichen gestellt, wie es auch in bisherigen Prüfungen häufig vorgenommen wurde und bezogen auf das Lernfeldkonzept sicher angezeigt erscheint. Eine handlungsorientierte Prüfung sollte – basierend auf einem handlungsorientierten Unterricht doch immer stärker im Verlauf der Ausbildung die „Variante 1“ der fallbezogenen Bearbeitung und Lösung bzw. Beurteilung von den Lernenden selbstständig vorgenommen werden können. Dazu wurden in der Schweiz verschiedenste Konzepte zur Prüfung anhand von Fallstudien entwickelt, da diese für das Schlussexamen seit 1992 vorgeschrieben sind (z. B. Kaiser & Künzel, 1996: Fallstudie als Instrument zur Weiterentwicklung von Theorie und Praxis, SRK, Bern). Auf für die „Mündliche Leistungsmessung“ (9.2) und die „Beurteilung im klinischen Unterricht und in der praktischen Anleitung“ (9.3) erhält man in aller Kürze wertvolle Anregungen.

„Statt eines Schlusswortes: Schulentwicklung tut Not!“ (Kap. 10) zeigt die entscheidenden Momente jeder Veränderung auf, denn ohne gemeinsam gestaltete Veränderungsprozesse lassen sich die enormen Anforderungen durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen und pädagogischen Implikationen kaum bewältigen. Dem kann ich mich voll anschließen!

Die kurzen, sehr anschaulich gestalteten Beschreibungen zu allen Themen erlauben auf jeden Fall einen guten Einblick in den Unterrichtsalltag, der für Studierende und NeueinsteigerInnen auf jeden Fall hilfreich ist. Für Wiedereinsteiger/innen gibt das Buch einen wunderbaren Überblick über die am meisten diskutierten Konzepte der Unterrichtsgestaltung und erlaubt auch den schon lange im Beruf stehenden Lehrpersonen die Reflexion ihres Unterrichtsgeschehens. Viele Anregungen machen auch den Routiniers Lust und Mut zum Ausprobieren von noch ungewohnten Konzepten.