Körper und Seele sehen. Gerontopsychiatrie ganzheitlich (Nübel, Gerhard und Bernd Meißnest (Hrsg.))

Mabuse-Verlag. Frankfurt am Main 2009, 91 Seiten, broschiert, 16,90 Euro, ISBN: 978-3-940529-20-6

Rezension von: Dr. Hubert Kolling

Zeitschriftenbeiträge und Bücher zum Thema Demenz füllen mittlerweile ganze Bibliotheken. Gleichwohl gelingt es noch immer viel zu selten, Schmerzen, Schlafstörungen und andere Krankheiten des Alters bei Menschen mit Demenz rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln. Die Frage, wie den körperlichen Erkrankungen bei Menschen mit einer Demenz besser begegnet werden kann, stand 2008 im Mittelpunkt des 13. Gütersloher Gerontopsychiatrischen Symposiums. Die dort gehaltenen Vorträge, die in dem vorliegenden Tagungsband dokumentiert sind, befassen sich mit geeigneten Wohn- und Lebensräumen für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen, Fragen der menschenwürdigen Behandlung älterer Menschen sowie aktuellen somatischen und gerontopsychiatrischen Therapien.

Herausgeben wird das schmale Buch von Gerhard Nübel und Bernd Meißnest, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie in der LWL-Klinik Gütersloh, einer Einrichtung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), Abteilungen Allgemeine Psychiatrie beziehungsweise Gerontopsychiatrie. Nach einem Vorwort von Heinz-Peter Kuhlmann (S. 7-9) sind darin die folgenden acht Beiträge vereint:

  • Bernd Meißnest: Menschenwürde im Krankenhaus (S. 11-27)
  • Werner Reininghaus: "Oder tut Ihnen was weh?" Schmerzerkennung und -behandlung bei Demenzkranken (S. 29-32)
  • Helmut Fronhofen: Schlaf und Schlafstörungen. Wege zu einer guten Nacht (S. 33-38)
  • Eckhard Feddersen: Wohnen heißt Wählen - Vielfalt als Gütezeichen. Am Beispiel des Kompetenzzentrums Demenz Nürnberg (S. 39-47)
  • Claus Fussek: "Wenn man einem Menschen seine Würde nimmt, dann hört er auf zu leben!" oder: "Wer verdient an den Folgen der schlechten Pflege?" (S. 49-62)
  • Elke Müller: "Hier kann ich nicht bleiben, ich muss nach Hause." Zur Situation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus (S. 63-73)
  • Maria von Oerten, Thomas Feld, Katja Hornberg-Dobra, Walburga Körting: Demenz - ein Blick in die Literatur (S. 75-85)
  • Judith Schmitz: Altenhilfe- und Pflegeplanung konkret im Kreis Gütersloh (S. 87-90).
  • In seinem Vorwort "Körper und Seele sehen - Gerontopsychiatrie ganzheitlich" macht Heinz-Peter Kuhlmann darauf aufmerksam, dass dement gewordene Menschen "immer eine mehrdimensionale Wahrnehmung" brauchen, in der Begegnung und in der Behandlung. Die Gerontopsychiatrie stehe vor der Aufgabe, in viel stärkerem Masse auf die körperlichen Erkrankungen zu achten, um diese gleichwertig behandeln zu können. Die Krankenhäuser und Kostenträger hätten die Aufgabe, geriatrisch-gerontopsychiatrische Akutstationen aufzubauen: "Denn: Auch demente Menschen haben einen Körper. Und der wird leider im Alter häufiger krank" (S. 8).

    Zugleich stünden die Allgemeinkrankenhäuser vor der Aufgabe, den zunehmend älteren und oft altersverwirrten Patienten angemessen helfen zu lernen. Hierzu müsse das Krankenhaus dafür sorgen, dass es auch auf internistischen und chirurgischen Stationen Mitarbeiter gibt, die um die Probleme älterer Menschen wissen, die ein Delir behandeln können, die für Begleitung und Beschäftigung für alte Menschen sorgen: "So, wie vor 50 Jahren in jedem Krankenhaus eine Intensivstation geschaffen wurde, so brauchen wir heute vielleicht in jedem Allgemeinkrankenhaus eine Demenz-Station mit Altenpflegerin, Beschäftigungstherapeuten und Gerontopsychiater" (S. 9). Alle zusammen müssten wir lernen, so der Autor, auch mit den moralisch-ethischen Fragen, die sich bei der Behandlung dement gewordener Menschen stellen, angemessen umzugehen.

    Zur Bedeutung des Tagungsbandes schreibt Heinz-Peter Kuhlmann: "Die Referenten des 13. Gütersloher Gerontopsychiatrischen Symposiums [2008] versuchen, Anregungen für eine mehrdimensionale Problemsicht in Geriatrie, Gerontopsychiatrie und Altenpflege zu geben. Wenn einige dieser Anregungen Verwendung finden bei der Arbeit in Altersheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen und bei der Pflege zu Hause, dann hat dieser Band sein Ziel erreicht" (S. 9).

    Insgesamt betrachtet sind die Beiträge des Buches, in denen es hauptsächlich um die Verbesserung der Pflege- und Betreuungsleistungen in stationären Einrichtungen geht, kompetent geschrieben. Wem geeignete Wohn- und Lebensräume für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen, Fragen der menschenwürdigen Behandlung älterer Menschen sowie aktuelle somatische und gerontopsychiatrische Therapien am Herzen liegen, kann "Körper und Seele sehen" mit seinen zahlreichen Praxisbezügen gewinnbringend zur Hand nehmen. Das Buch bietet in Theorie und Praxis Anregungen für alle, sei es nun in der Medizin, der Gesundheits- und Krankenpflege und nicht zuletzt in der Altenpflege, die mit dement kranken Menschen leben und arbeiten.