Die Liebe hört niemals auf (König, Ina M.)

Patmos Verlag, Düsseldorf, 2009, 200 S., 16,95 €, 978-3-8436-0207-5

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Wenn ein geliebter Mensch stirbt oder gestorben ist, werden die Hinterbleibenden nicht selten aufgefordert, doch loszulassen, den Sterbenden gehen zu lassen. Vielen Menschen fällt es schwer, dieser Aufforderung so einfach nachzukommen. Auch die religiöse Rede davon, dass der Sterbende/Verstorbene nun in Gottes Hand aufgenommen wird/ist, hilft da nicht immer. Und es stellt sich die Frage, ob diese Aufforderung wirklich sinnvoll ist.

Der Autorin des vorliegenden Buches geht es darum, andere Wege der Trauer aufzuzeigen - nämlich, wie der Untertitel des Buches sagt, Möglichkeiten zu eröffnen, ein Verbundensein über den Tod hinaus zu gestalten. Ina M. König ist evangelische Pfarrerin und arbeitet in einer Beratungsstelle in Soest sowie in eigener psychotherapeutischer Praxis in Lippstadt.

Nach einem ersten Kapitel, in dem Wege durch die Trauer skizziert werden, sind die weiteren Kapitel überschrieben mit:

  • Der Tod hat dich mit fortgenommen
  • In der Dunkelheit suche ich dich
  • Du bist meiner Seele nahe
  • Du hilfst mir, mein Leben wiederzufinden.

Die Autorin beschreibt dabei typische Situationen, die im Prozess der Trauer auftreten, und greift dabei immer wieder auf konkrete Fallkonstellationen aus ihrer Beratungsarbeit zurück. Dabei geht es zunächst vielfach darum, Gefühle wie Angst, Wut, Schuld und andere zuzulassen und konstruktiv damit umzugehen, sie in das weitergehende Leben zu integrieren. Eine zentrale Rolle spielt das Märchen vom Aschenputtel. Die Autorin kann in faszinierender Weise zeigen, dass in diesem Märchen wichtige Trauersituationen vorkommen und wie damit umgegangen wird.

Die Ausführungen wenden sich in erster Linie an Trauernde. Der Text ist sehr gut zu lesen, auf spezifische Fachterminologie wird weitgehend verzichtet. Es werden an vielen Stellen Angebote zu Reflexionen und Übungen eingeflochten, die Betroffene durchführen können. Im Anhang findet der Leser weiterführende Literatur sowie eine Auflistung von hilfreichen Adressen.

Es gibt vermutlich sehr viel mehr individuelle Facetten der Trauererfahrung, als sie in dem Buch beschrieben sind. Gleichwohl würde der Rezensent als nicht unmittelbar Betroffener das Buch Betroffenen ohne Weiteres in die Hand geben. Es ist sicher sehr viel mehr als ein typischer Ratgeber.

Auch wenn das Buch keine klar gegliederte und systematische Abhandlung im Sinne eines Fachbuches beinhaltet, sei es aber auch all denen zur Lektüre empfohlen, die beruflich mit Sterbenden und damit auch Trauernden zu tun haben.

Zwei Anmerkungen seien erlaubt:

  • Ein langes Sterben, womit verbunden ist, dass auch der Sterbende selbst Abschied nehmen muss, d. h. trauert, wird nicht weiter bedacht. Das Gleiche gilt für die in medizinischen Institutionen nicht so seltene Situation, dass die Hinterbleibenden den Tod herbeiwünschen und dann nicht selten als Erlösung erfahren. Zu wünschen, dass ein Mensch stirbt, und den Tod als Erlösung zu erfahren, ist nicht selten mit Schuldgefühlen verbunden und wird daher häufig nicht zugelassen.
  • Dass eine Pfarrerin viel von Gott spricht und Gottesbildern sowie dem Gebet einen, wenn auch nicht aufdringlichen, aber doch relativ breiten Raum einräumt, ist nachvollziehbar und auch per se nicht zu kritisieren. Zu fragen ist jedoch, was die Rede von Gott in einer weitgehend Gott freien Gegenwart bedeutet - es kann schlechthin nicht das Gleiche sein, wie in einer Welt, in der Götter selbstverständlich vorhanden waren. Ina M. König formuliert z. B. an einer Stelle mit Bezug auf Märchen vom Aschenputtel: "Das Bild von der guten Mutter, die über die biografische Mutter hinaus zur Göttin wurde, an die sie sich betend wenden kann" (S. 110). Hier wäre doch zu fragen, ob man dies nicht auch anders formulieren könnte, ohne dass der Inhalt sich ändern würde. Dieses grundlegende theologische Vermittlungsproblem spielt im Hinblick darauf, wen man erreichen will, eine nicht zu unterschätzende Rolle.