Kooperative Pflegeberatung und Beratungsqualität Mit einem Exkurs zu Selbstmanagement, Macht und Eigensinn. (Christa Hüper, Barbara Hellige)
Mabuse-Verlag, 2012, 249 Seiten, Softcover, ISBN: 978-3-86321-016-8
Rezension von: Julia Ungerer
Im Buch von Hüper und Hellige geht es in erster Linie um die Frage der Beratungsqualität und wie sie definiert und evaluiert werden kann. Der Band muss als Fortführung von "Professionelle Pflegeberatung und Gesundheitsförderung für chronisch Kranke" angesehen werden, in dem die Autorinnen ihr Konzept der Kooperativen Pflegeberatung vorstellen. Auch das neue Werk richtet sich vornehmlich an Lehrende und Studierende verschiedener Gesundheits- und Pflegestudiengänge, kann jedoch auf Grund der vielen praxisbezogenen Darstellungen auch für in der Pflegeberatung Tätige interessant sein. Die sechs Kapitel legen thematisch unterschiedliche Schwerpunkte, bauen jedoch logisch aufeinander auf.
Das erste Kapitel gibt eine knappe Einführung in das Modell der Kooperativen Pflegeberatung und ihres theoretischen Hintergrunds und zeigt verschiedene Perspektiven auf, aus denen Beratungssituationen erfasst werden können. Außerdem stellt es das zum Modell gehörende Assessment vor und verweist auf Beratungsbeziehungen zwischen den Teilnehmern der Beratung.
Mit Möglichkeiten, die Qualität von Pflegeberatung zu erfassen und darzustellen beschäftigt sich das folgende Kapitel. Den Einstieg machen mehrere Untersuchungen der Stiftung Warentest und zwei Studien der Uni Bielefeld zu Beratung und Beratungsqualität in verschiedenen Settings.
Anhand zwei ausgewählter Qualitätsmanagementkonzepte werden Möglichkeiten der Qualitätsmessung veranschaulicht. Die Autorinnen zeigen mögliche wesentliche Qualitätsmerkmale der Pflegeberatung auf, weisen jedoch darauf hin, dass eine Pflegeberatung nie aus dem persönlichen Kontext des zu Beratenden und seiner Angehörigen herausgelöst stattfinden kann. Dies macht eine Generalisierung der Qualitätsmerkmale nur bedingt möglich.
Kapitel 3 widmet sich, als Diskurs angelegt, dem Spannungsfeld in welchem Pflegeberatung stattfindet. Es setzt sich mit der gesundheitspolitischen Forderung nach Selbstmanagement in der Gesundheitsversorgung im Kontext eines staatlich und gesellschaftlich normierten Gesundheitsbegriffs auseinander. Ebenso wird die Wirksamkeit des Selbstmanagements im Zusammenhang mit Determinanten wie Geschlecht, Bildung, soziales Milieu und Einkommensstruktur erörtert. Dabei werden die widersprüchlichen Anforderungen an Beratende und zu Beratende in diesen Kontexten offenbar.
Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Selbstmanagement chronisch Erkrankter. Es wird formuliert als Aufforderung zum Wandel vom folgsamen zum aktiven und kooperierenden Patienten, der durch Zusammenarbeit mit Vertretern der involvierten Gesundheitsberufe die Macht über sich, seine Ressourcen und seine Situation zurück gewinnt, somit zum Manager seiner Selbst wird. Die Existenz von Machtgefällen, in denen sich der Patient und seine Angehörigen in Beratungssituationen befinden wird ebenso thematisiert, wie der Eigen-Sinn der im Verständnis der Kooperativen Pflegeberatung als Grundbedürfnis angesehen wird. Vertiefend hierzu findet sich ein Unterkapitel zu Foucaults Auseinandersetzung mit Macht und des daraus resultierenden Konzepts der Gouvernementalität.
Wie eine "gute Beratung" aussehen kann wird im 4. Kapitel gezeigt. Bei einem Beratungsgespräch mit einem an Multiple Sklerose Erkrankten, wird anhand der Frage ob er in ein Pflegeheim umziehen müsse exemplarisch der Beratungsverlauf dargestellt. Durch eine genaue Erhebung einer Pflege- und Krankheitsverlaufskurve erhält der Lesende einen umfassenden Einblick in die Krankheitsgeschichte und kann sich einen Überblick sowohl über die persönliche als auch die soziale Situation des Betroffenen machen. Dies lässt sowohl Ressourcen als auch Beratungsbedarfe deutlich erkennen. Im Gesprächsabschluss zeigt sich, dass der Erhalt des Selbstmanagements durch gezielte Unterstützung der Beratenden das Gefühl schwindender Kontrolle über das eigene Leben nahm. Abschließend wird die Beratungsqualität des Gesprächs evaluiert.
Der Praxistransfer des Modells wird im sechsten Kapitel anhand zweier Studien beschrieben. Die erste Studie wurde mit neurologisch Erkrankten und deren Angehörigen durchgeführt und aufgrund ihres geringen Umfangs als Vorstudie angesehen. Ziel war eine erste Implementierung des Modells der Kooperativen Pflegeberatung in einem Krankenhaus. In einer zweiten, deutlich umfangreicheren Studie konzentrierte man sich auf Patienten mit Krebserkrankungen und deren Angehörigen. Diese Studie hatte ein spezifisches Beratungskonzept für chronisch kranke Patienten auf Basis der Kooperativen Pflegeberatung zum Ziel.
Auf ein Schlusswort verzichten die Autorinnen im letzten Kapitel und lassen stattdessen einen chronisch kranken Patienten zu Wort kommen, der sein persönliches Selbstmanagement schildert.
Das Buch von Hellige und Hüper zeigt klar die Ambivalenz des Wunschs, Beratungsqualität messbar zu machen und dem Bewusstsein, dass Qualität einer Pflegeberatung von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird. Trotzdem kann der klar strukturierte Band deutlich Erfordernisse aufzeigen, die es benötigt um eine für alle Parteien gelungene Pflegeberatung durchzuführen.
Ein umfangreiches Abbildungsverzeichnis, das unter anderem Leitfäden und Assessments enthält, veranschaulicht und ergänzt die aufgegriffenen Themen. Eingedenk der aktuellen Gesetzesänderungen, welche dem wachsenden Stellenwert der Pflegeberatung Rechnung tragen, sind ihm viele Leser aus Theorie und Praxis zu wünschen.