Elster, Ruth
Der Agnes Karll-Verband und sein Einfluß auf die Entwicklung der Krankenpflege in Deutschland
Ein Beitrag zur Geschichte der Pflegeberufe und eines Berufsverbandes
Herausgegeben vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. 2. Auflage
Mabuse-Verlag. Frankfurt am Main 2013, 256 S, 49,90 €, ISBN 978-3-933050489
Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling
Die Krankenpflegerin Ruth Elster (1913-2002), die zunächst als Lehrerin in Krankenpflegeschulen, später als Pflegedienstleiterin in verschiedenen Krankenhäusern tätig war, wurde 1948 innerhalb des Agnes Karll-Verbandes (AKV) – einer der wichtigsten Vorgängerorganisationen des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), der sich heute als „die Interessenvertretung von Beschäftigten und Selbständigen der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und der Altenpflege“ versteht (vgl. www.dbfk.de) – zur Vorsitzenden der Landesgruppe Württemberg gewählt. 1957 folgte ihre Wahl zur Präsidentin des Berufsverbandes und zur Vorsitzenden der Deutschen Schwesterngemeinschaft.
Nachdem Ruth Elster 1973 aus dem aktiven Berufsleben und der verbandspolitischen Tätigkeit ausgeschieden war, engagierte sie sich weiter für die Pflege und „ihren“ Berufsverband, etwa durch die 1983 von ihr vorgelegte Broschüre „Deutscher Berufsverband für Krankenpflege e. V., Entwicklung – Zielsetzung – Aktivitäten von 1903-1983“. Um ausführlicher über die Entwicklung des Berufes und des Verbandes sowie ihre Tätigkeit im AKV berichten zu können, veröffentlichte sie im Jahre 2000 das Buch „Der Agnes Karll-Verband und sein Einfluß auf die Entwicklung der Krankenpflege in Deutschland. Ein Beitrag zur Geschichte der Pflegeberufe und eines Berufsverbandes“. Wie der Untertitel zeigt, hatte sie damit nicht „Die Geschichte“, sondern lediglich „Ein Beitrag zur Geschichte“ der Pflegeberufe und eines Berufsverbandes intendiert. Die im DIN A 4 Format vorgelegte Schrift, die vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe herausgegeben wird, erschien nun in zweiter Auflage, bei der es sich aber – genau genommen – lediglich um einen unveränderten Nachdruck handelt.
In ihrem Vorwort macht die Autorin darauf aufmerksam, dass sie sich als „Zeitzeugin“ versteht, die mit Beginn ihrer Ausbildung in der Krankenpflege im Jahre 1933 bereits Mitglied der B.O.K.D. (Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands) wurde, deren Entwicklung bis zum Befehl der Auflösung 1938 durch die Nationalsozialisten, das Wiederaufleben 1945/46 als Agnes Karll-Verband und dessen Bestehen bis zur Überleitung in den Deutschen Berufsverband für Krankenpflege im Jahre 1973 mit erlebt und ihn ab 1948 an verantwortlichen Stellen mitgestaltet hat. Dementsprechend sei ihr Werk ein „Tatsachenbericht“, der Antwort geben möchte auf viele Fragen, die fast alle mit den Worten „warum, was, wie und wann“ begannen: „Mein Anliegen ist es darzustellen, wie wir früher das Wirken von Agnes Karll gesehen und ihre und der BO Ziele als die Wurzel alles weiteren Geschehens in der Folgezeit betrachtet haben“ (S. 13). Darüber hinaus möchte Ruth Elster davon berichten, welchen Einfluss der AKV auf die Entwicklung der Krankenpflege und der Pflegeberufe in Deutschland hatte und, aus welchen Gründen es in unserem Land so schwierig war, damals notwendig erscheinende Veränderungen durchzusetzen.
Im Mittelpunkt der Darstellung steht nach einem kurz gefassten Überblick über das Leben und Wirken von Agnes Karll die professionelle Entwicklung der Pflegeberufe im Verlaufe der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Anhand eigener Erinnerungen, vorwiegend mithilfe mithilfe von zeitgenössischen Dokumenten und Artikeln aus der Verbandszeitschrift „Agnes Karll Schwester“ rekonstruiert die Autorin Zusammenhänge und Hintergründe, die maßgebend für die Modernisierung des Berufes waren. Hierbei konzentriert sie sich insbesondere auf die Diskussion um die Einführung und die Reform des Krankenpflegegesetzes (1965), auf die Etablierung der Krankenpflegehilfe und auf die Durchsetzung verschiedener Fachweiterbildungen in der Pflege. Durchgehend bezieht Ruth Elster hierbei die deutschen Entwicklungen und Diskussionen auch auf die gleichzeitigen Debatten auf internationaler Ebene mit ein, zumal es ihr als Vizepräsidentin des ICN (International Council of Nurses) während ihrer Amtszeit ein großes Anliegen war, die bundesrepublikanische Pflege sowohl fachlich inhaltlich als auch berufspolitisch auf das Niveau zu bringen, das die Pflege in vielen anderen Ländern damals schon hatte.
Insgesamt betrachtet handelt es sich bei dem vorliegenden Buch, das eine fast 100-jährige Verbandsgeschichte umfasst, freilich weniger um eine wissenschaftliche Abhandlung, als vielmehr um einen Reader, der eine Vielzahl von Originaldokumenten in sich vereint. Diese dokumentieren beeindruckend die Situation der beruflich Pflegenden wie auch ihr Verhältnis zu den großen berufspolitischen Anliegen der Zeit und zeigen deutlich, wie die berufspolitischen, sozialen und politischen Prozesse in der Pflege miteinander verflochten waren. Gleichzeitig gibt die Autorin vielfältige Anstöße zu weiteren Forschungen. Insofern ist die Veröffentlichung, wenngleich sie primär aus der Sicht des Bundesverbandes des AKV geschrieben ist, ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der deutschen Krankenpflege im 20. Jahrhundert.
Erstaunlich ist, dass der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe die Publikation nicht in seinem eigenen (DBfK-Verlag, Berlin), sondern im Frankfurter Mabuse-Verlag (vgl. www.mabuse-verlag.de) herausgegeben hat. Statt einem Nachdruck des Buches hätte man sich freilich eine zweite Auflage gewünscht, in der neben einem neuen Vorwort vonseiten des Verbandes auch darauf hingewiesen wird, dass die Verfasserin bereits im Jahre 2002 verstorben ist. Wer sich über Leben und Werk von Ruth Elster informieren möchte und mehr als die dürftigen Angaben etwa in „wikipedia“ (vgl. www.de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Elster) oder auf der Verlagsseite (vgl. www.mabuse-verlag.de/Mabuse-Verlag/Unsere-AutorInnen/Autor/Ruth-Elster/934) wünscht, sei auf den von Hubert Kolling verfassten Beitrag im „Biographischen Lexikon zur Pflegegeschichte, Band 4“ (München 2008, S. 84-87) verwiesen.
Anlässlich der Besprechung der Erstauflage des Buches aus dem Jahre 2000 im „Pflegemagazin“ (1. Jg., 2000, Heft 5, S. 56-57) machte der Rezensent darauf aufmerksam, dass der DBfK, der heute etwa 20.000 Mitglieder zählt, in Kürze (2003) seinen 100. Geburtstag feiern kann. Die gleichzeitig damit verbundene Hoffnung, dass der Verband anlässlich des damals bevorstehenden Jubiläums seine Geschichte umfassend erarbeiten lässt, hat sich unterdessen nicht erfüllt.