Pantke, Karl-Heinzet al. (Hrsg.)

Das Locked-in-Syndrom

Geschichte, Erscheinungsbild, Diagnose und Chancen in der Rehabilitation

Mabuse Verlag, Frankfurt am Main, 2011, 239 S., 24,90 €, ISBN: 9783940529602

Rezension von Prof. Dr. Andrea Warnke

Das Locked-in-Syndrom (engl. locked-in eingesperrt) beschreibt die vollständige Lähmung des Körpers mit einhergehender Unfähigkeit, sich sprachlich oder durch Bewegung spontan verständlich zu machen bei klar erhaltenem Bewusstsein. Lediglich die Augenlider können bewegt werden. „Beim Locked-in-Syndrom ist in 85% der Fälle ein Schlagfall die Ursache. Eine traumatische Ursache liegt in ca. 12 % der Fälle vor.“(Gerstenbrand, Hess 2011: 21 in Pantke et al. (Hrsg.)).

Karl-Heinz Pantke und seine drei Mitautorinnen und Mitautoren wollen mit diesem Buch eine Lücke füllen. Zwar ist die Erkrankung – auch dank einiger Filme und Erfahrungsberichte - in der Öffentlichkeit nicht mehr gänzlich unbekannt, indes, ein Kompendium, eine Zusammenfassung der medizinischen, therapeutischen und rehabilitativen Fachexpertise, sowohl für Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitsprofessionen als auch für Angehörige existiert, so die Herausgeber, bisher noch nicht.

Die Herausgeber sind alle aktive Mitglieder des Locked-In-Syndrom (LIS) e. V. Der Förderverein LIS e. V. setzt sich für die Verbesserung der Lebensumstände von Betroffenen in ganz Europa ein. Der Verein betreibt ein Pilotprojekt zur Rehabilitation an einer Berliner Klinik und baut ein Informationszentrum auf.

Die Beiträge selbst stammen z. T. von Tagungen, die vom LIS e. V. ausgerichtet wurden, ein Teil der Artikel ist explizit für das Buch geschrieben worden.

Die einzelnen Beiträge der Autorinnen und Autoren gliedern sich in eine Zusammenfassung, einen Hauptteil sowie ein entsprechendes Literaturverzeichnis. Kontaktangaben runden jeden Beitrag ab.

Das Buch unterteilt sich in eine Einführung und die vier Kapitel „Chancen der Rehabilitation: Motorik“, „Chancen der Rehabilitation: Kommunikation“, „Anhang zum medizinischen Hintergrund“ sowie „Anhang zu Organisationen, Therapien und Literatur“.

Die Einführung von Gerstenbrand und Hess gibt einen historischen Einblick in das Thema und führt den Lesenden zunächst in das 18. und 19. Jahrhundert und die Angst des Scheintodes sowie die erste historische Beschreibung des Syndroms in dem Roman „Der Graf von Monte Christo“. Der Begriff Locked-in-Syndrom selbst wurde von Plum und Posner 1966 in die Literatur eingeführt.

Das Kapitel Chancen der Rehabilitation: Motorik umfasst insgesamt sechs Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren. Inhaltlich reichen diese von der Physiotherapie beim Locked-in-Syndrom – Systematisches repetetives Basistraining (Christel Eickhof) über Kommunikations- und Mobilisationsassistenz (Christine Kühn, Gudrun Mrsosack) bis zur Urologischen Versorgung (Will N. Vance).

Das Kapitel Chancen der Rehabilitation: Kommunikation umfasst drei Aufsätze, u. a. den Case-Report von Karl Heinz Pantke: Langzeittherapie einer Dysarthrie in der Logopädie: Patient mit Locked-in-Syndrom nach einer Basilaristhrombose.

Im Kapitel Anhang zum medizinischen Hintergrund geben Peter Koßmehl und Jörg Wissel als in der neurologischen Rehabilitation tätige Neurologen und Rehabilitationswissenschaftler Einblick in die Klinik, Klassifikation und Ursachen des Locked-in-Syndrom. Weiterhin werden anatomisch-funktionelle Zusammenhänge dargestellt. Kotchoubey und Lotze führen in die instrumentellen Methoden der Diagnostik ein.

Das abschließende Kapitel Anhang zu Organisationen, Therapien und Literatur ergänzt das Buch um Adressen von Organisationen, Kliniken und Therapien (Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie) sowie Literatur- und Filmhinweise.

Der Herausgeber Karl-Heinz Pantke erlitt selbst 1995 einen Schlaganfall mit Locked-in-Syndrom und ist Mitbegründer und Vorsitzender des LIS e. V.

Anspruch der Herausgeberinnen und Herausgeber ist es, Mediziner(innen), Therapeut(inn)en und Angehörige von Patient(inn)en mit Locked-in-Syndrom anzusprechen und umfassend zu informieren. Ein weiterer formulierter Anspruch ist es, keine bloße Sammlung von Artikeln zu bieten.

Das Buch schafft dies in weiten Teilen. Gerecht wird es dem Anspruch der Interdisziplinarität. Die Autorinnen und Autoren kommen aus verschiedenen Disziplinen – sowohl Mediziner, Therapeuten als auch Betroffene/Vertreter des Vereins kommen zu Wort. Das Buch ist eine lesenswerte und professionell aufbereitete Zusammenfassung der Thematik. Für Vertreter der Berufe der Gesundheitsversorgung ein empfehlenswertes Buch. Auch Angehörige werden ein Verständnis und fachliches Know-how, fernab jeglicher Ratgeber, durch dieses Buch erlangen können.

Ob eine Synopse zur gegenwärtigen europäischen Locked-in-Syndrom-Forschung gegeben werden kann, ein im Vorwort formulierter Anspruch, muss an anderer Stelle diskutiert werden. Dies mag aus Sicht der Herausgeber / des LIS B. ein verständlicher Wunsch sein, ist jedoch aus Sicht der Rezensentin als Überfrachtung eines insgesamt als lesenswert einzuordnenden Buches zu sehen.