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Mensch, Tier, Umwelt: Neues BUA-Projekt untersucht Gesundheit in urbanen Räumen

Das von der Berlin University Alliance geförderte Forschungsprojekt „Re-Scaling Global Health. Human Health and Multispecies Cohabitation on an Urban Planet“ widmet sich der Frage, wie menschliche Gesundheit, biologische Vielfalt und ökologische Veränderungen in urbanen Räumen miteinander verflochten sind. Forschende aus Architektur, Geografie, Geschichte, Medizin und Virologie arbeiten interdisziplinär zusammen, um das Konzept der „Planetary Health“ – also die enge Verbindung von menschlicher, tierischer und ökologischer Gesundheit – in die Stadtforschung einzubringen.
Ziel des bis Ende 2025 laufenden Projekts ist es, innovative Ansätze für gesunde, widerstandsfähige Lebensräume zu entwickeln und Perspektiven aufzuzeigen, wie Städte angesichts von Klimawandel, Artenverlust und Urbanisierung nachhaltiger und lebenswerter gestaltet werden können.

Das Projekt „Re-Scaling Global Health“

Das Projekt „Re-Scaling Global Health“ ist Teil des BUA-Grand-Challenges-Programms, an dem die TU Berlin, die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Charité – Universitätsmedizin Berlin beteiligt sind. Es widmet sich der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen, und fällt dort in die Challenge „Global Health“. Ziel des bis Ende 2025 laufenden Vorhabens ist es, neue Lösungsansätze für die gesundheitlichen Herausforderungen in Städten zu entwickeln. Dafür untersuchen Fachleute aus unterschiedlichsten Disziplinen das komplexe Zusammenspiel von menschlicher Gesundheit, biologischer Vielfalt und Umweltveränderungen.

Vom engen Blick zur globalen Perspektive

Dass ein zu enger, räumlicher und thematischer Fokus auf medizinische Fragen nicht ausreicht, ist schon länger offensichtlich. Krankheitserreger reisen heute per Flugzeug um die Welt, wie SARS, Ebola oder Covid-19 in den letzten Jahren immer wieder gezeigt haben. Auch historisch betrachtet führten Epidemien wie Cholera, Malaria oder Grippe zu weltweiten Ausbrüchen und forderten Millionen Todesopfer. Um solchen grenzübergreifenden Gefahren zu begegnen, wurden im 20. Jahrhundert internationale Einrichtungen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegründet. „Global Health“ ist seitdem ihr Ziel – die weltweite Verbesserung der Gesundheitssituation.

Von „Global Health“ zu „Planetary Health“

Der Fokus liegt dabei allerdings fast ausschließlich auf dem Menschen. Um all die Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, mit denen er zusammenlebt, geht es dagegen kaum. „Dieser Ansatz greift etwas zu kurz“, findet Prof. Dr. Dorothee Brantz, Direktorin des Center for Metropolitan Studies und Co-Sprecherin des BUA-Projekts. Wenn schon ein einzelner Mensch eine mitunter schwer durchschaubare Wohngemeinschaft aus verschiedenen Organismen mit sich herumträgt – wie komplex muss dann erst das Zusammenleben in einer Stadt sein? Millionen von Einwohner*innen der unterschiedlichsten Arten von Lebewesen und eine Fülle von Umweltfaktoren beeinflussen sich dort gegenseitig. „Wir sollten deshalb nicht nur an unsere eigene Gesundheit denken“, betont Dorothee Brantz. „Entscheidend ist die des gesamten Planeten und aller, die darauf leben.“

Städte als komplexe Ökosysteme

Das unter dem Begriff „Planetary Health“ bekannte Konzept hat in der Stadtforschung bislang noch wenig Beachtung gefunden, gewinnt jedoch zunehmend an Bedeutung. Immer deutlicher wird, dass viele traditionelle Denkweisen in den Städten der Zukunft nicht mehr tragfähig sind. Allein die Herausforderungen des Klimawandels erfordern neue, durchdachte Ansätze – und führen zu der Erkenntnis, dass nicht der Mensch allein Städte gestaltet und die dort geltenden Regeln bestimmt.

Alte Erkenntnisse, neue Herausforderungen

Für Dorothee Brantz wird das zum Beispiel deutlich, wenn sie den Einfluss der Jahreszeiten auf das Stadtleben um die Jahre 1900 und 2000 vergleicht. „Überraschend viel von dem, was wir heute erleben, war schon damals bekannt“, sagt die Historikerin. So traten Erkältungskrankheiten oder Allergien in bestimmten Monaten gehäuft auf – ein Phänomen, das man mit Hitze, Kälte oder Niederschlag in Zusammenhang brachte. Und auch die Tatsache, dass die Blütezeit bestimmter Pflanzen einen starken Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben kann, war längst kein Geheimnis mehr.

Wenn der Klimawandel krank macht

„Heuschnupfen gab es schon in der Antike“, sagt Dorothee Brantz. „Und im 19. Jahrhundert fand man wissenschaftliche Erklärungen dafür.“ Was genau bei einer Allergie im Immunsystem abläuft, war damals noch unbekannt. Allerdings erkannte man bereits, dass Allergien auch Zivilisationskrankheiten sind. Ihrem Auftreten wurde eine Verbindung zum dichten Zusammenleben in Städten und zur Entfremdung von der Natur zugeschrieben. Häufig wurde als Gegenmaßnahme eine Kur auf dem Land verschrieben.

Inzwischen ist bekannt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, tatsächlich seltener Allergien entwickeln. Wahrscheinlich liegt das daran, dass der ständige Kontakt zu verschiedenen Tieren und Mikroorganismen ihr Immunsystem besonders gut trainiert. Das zunehmend häufige Auftreten fehlgeleiteter Immunreaktionen gegen harmlose Pollen hängt jedoch nicht allein mit der Urbanisierung zusammen. Auch der Klimawandel spielt eine Rolle, da er die Blütezeit von Allergieauslösern verlängert. In Städten, die sich als Wärmeinseln aus Beton und Asphalt stärker aufheizen als ihre Umgebung, ist dieser Effekt besonders ausgeprägt.

Neue Gesundheitsrisiken in der Stadt

„Auch mit anderen Gesundheitsproblemen werden wir in Zukunft mehr zu kämpfen haben“, sagt Dorothee Brantz. Denn wärmeliebende tierische Nachbarn, die als Krankheitsüberträger bekannt sind, breiten sich durch den Klimawandel auch in gemäßigten Klimazonen aus – etwa Tigermücken oder tropische Zecken. Welche neuen oder bereits bekannten Krankheiten diese Profiteure der Erderwärmung mit sich bringen werden und welche Gegenmaßnahmen möglich sind, gehört zu den Fragen, mit denen sich Forschende im Rahmen des BUA-Projekts beschäftigen.

Zusammenleben als Zukunftsaufgabe

Doch nicht alle unsere Nachbarn, die anderen Arten angehören, machen Schwierigkeiten. Manche lassen sich womöglich auch als Mitstreiter gewinnen, um Herausforderungen besser bewältigen zu können. „Wir betrachten die gesundheitlichen Herausforderungen und das Zusammenleben der Arten in Städten also aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven“, resümiert Dorothee Brantz. Eines der bisher wichtigsten Ergebnisse des Projekts war es aus ihrer Sicht, diese verschiedenen Sichtweisen zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. „Wir stoßen damit sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit auf großes Interesse“, berichtet die Historikerin. Woran es oft noch fehle, sei die Umsetzung der Ideen. „Flächen zu entsiegeln, um einen natürlichen Wasserhaushalt wiederherzustellen, finden alle gut. Bis dann die Frage aufkommt, wie sich das mit dem Schaffen von zusätzlichem Wohnraum vereinbaren lässt.“

Forschung mit Blick auf die Zukunft

Trotzdem wollen sie und das Projektteam auch nach Abschluss des BUA-Projekts weiterhin an neuen Konzepten für die Städte der Zukunft arbeiten. Eine Gelegenheit dazu bietet etwa ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Netzwerk zum Thema „Planetary Health – Planetary Thinking in the Social Sciences and Humanities“, das an der Universität Leipzig angesiedelt ist. An dem Netzwerk sind unter anderem Prof. Dr. Ulrike Beisel von der FU Berlin und Dorothee Brantz von der TU Berlin beteiligt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dorothee Brantz
Direktorin des Center für Metropolitan Studies
Fachgebietsleitung Neuere und Neuste Geschichte, Stadtgeschichte
Fakultät I Geistes- und Bildungswissenschaften
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Tel.: +49 30 314-28402

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