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Neue WHO-Studie zeigt hohe psychische Belastung von Gesundheitsfachkräften in Europa

Eine neue Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission zeigt deutliche Defizite im Arbeitsumfeld von Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften in Europa. Die sogenannte Mental Health of Nurses and Doctors (MeND)-Umfrage erfasste von Oktober 2024 bis April 2025 die psychische Gesundheit, das Wohlbefinden und die Arbeitsbedingungen in 27 EU-Staaten sowie in Island und Norwegen.

Insgesamt beteiligten sich 122.048 Personen an der Erhebung, von denen 90.171 gültige Antworten ausgewertet wurden. Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Die Studie macht deutlich, wie stark Arbeitsbedingungen die mentale Gesundheit beeinflussen. Rund 70 Prozent der Befragten erleben regelmäßig Aggressionen von Patientinnen, Patienten oder Angehörigen; ein Drittel berichtet von Mobbing oder Bedrohungen, über 10 Prozent von körperlicher Gewalt oder sexueller Belästigung. Hinzu kommen strukturelle Belastungen: Überstunden, Schicht- und Nachtarbeit sind weit verbreitet. 16 Prozent der Beschäftigten arbeiten mehr als 50 Stunden pro Woche, bei Ärztinnen und Ärzten sind es sogar 28 Prozent. Über die Hälfte der Pflegekräfte leistet regelmäßige Nacht- oder Wechselschichten.

Unsichere Arbeitsbedingungen standen in der Studie in direktem Zusammenhang mit einer schlechteren psychischen Gesundheit, während unterstützende Strukturen wie Kollegialität, Autonomie und zugängliche Hilfsangebote die psychische Gesundheit deutlich fördern konnten.

Zur Verbesserung der Situation benennt der Bericht sieben zentrale politische Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten gezielt auf bessere Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Gesundheitsförderung für Beschäftigte im Gesundheitswesen hinarbeiten können:

  1. Null-Toleranz gegenüber Gewalt und Belästigung: Einführung und Durchsetzung einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Mobbing, Belästigung und anderen Formen von Gewalt am Arbeitsplatz – unterstützt durch klare Meldewege und Sensibilisierungsmaßnahmen.
  2. Mehr Planbarkeit bei Schichtarbeit: Verbesserung der Vorhersehbarkeit und Flexibilität von Schichtplänen, Begrenzung von Nachtschichten und langen Diensten sowie Förderung ausreichender Ruhezeiten und sozialer Unterstützung.
  3. Gesunden Umgang mit Überstunden fördern: Arbeitszeiten sollen internationalen Standards entsprechen. Überstunden sind zu erfassen, auszugleichen und dürfen nicht Teil der Unternehmenskultur sein.
  4. Arbeitsbelastung verringern: Bessere Personalplanung, effizientere Arbeitsabläufe und Nutzung digitaler Technologien, um Überlastung zu vermeiden und die Qualität der Versorgung zu sichern.
  5. Führungskräfte stärker in die Verantwortung nehmen: Schulung und Sensibilisierung von Leitungs- und Managementebenen, um die psychische Gesundheit des Personals aktiv zu fördern und als Leistungsindikator zu verankern.
  6. Zugang zu psychischer Unterstützung gewährleisten: Vertrauliche, niedrigschwellige Angebote für psychische Gesundheit und Suchtprävention bereitstellen – auch für die Rückkehr nach Krankheitspausen und zur Reduzierung von Stigmatisierung.
  7. Regelmäßige Erfassung und Berichterstattung: Systematische Überwachung der psychischen Gesundheit und Arbeitsbedingungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, um Fortschritte messbar zu machen und politischen Dialog zu fördern.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier: https://www.who.int/europe/publications/i/item/WHO-EURO-2025-12709-52483-81031

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